Putin hat aus Beslan nichts gelernt
Putin geht den falschen Weg noch konsequenter
Von Manuela Hofer und Michael Striebel
Zwei Wochen sind seit der blutigen Befreiung der Geiseln in Beslan (Nordossetien) vergangen. In der Zwischenzeit steht fest, dass es mindestens 339 Tote, die meisten davon Kinder, gegeben hat. Heute vor einer Woche begann für die Schüler in Beslan wieder der Unterricht.
Viele waren verschüchtert, einige haben geweint, doch die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit wendet sich bereits wieder anderen Ereignissen zu. Zurück bleibt der Schock über die Einsicht, dass in jedem Krieg alle(!) Regeln des menschlichen Zusammenlebens ausser Kraft gesetzt werden. Der Tod von Kindern, die Vergewaltigung von Frauen und andere Grausamkeiten werden für das Erreichen politischer Ziele eingesetzt.
Der russische Präsident Putin
Er nutzt unterdessen die Gelegenheit, die Macht in Russland weiter auf seine Person zu konzentrieren. Durch die Änderung des Wahlrechts zur Duma (russisches Parlament) und durch die direkte Ernennung der Präsidenten der (offiziell) autonomen Teilrepubliken wird nun gesetzlich verankert, was de facto schon seit langem Teil seiner Politik ist.
Die Entscheidungen liegen in Russland nicht beim Volk,
sondern sie werden vom Präsidenten gefällt.
Mit Demokratie hat das wenig zu tun, ebenso wenig wie mit einer nachhaltigen Konfliktlösung.
Putin versucht, das „Problem Tschetschenien“ durch eine diktatorische Politik mit Hilfe von Militär und Geheimdienst zu lösen.
So hat er aus Beslan ebenso wenig gelernt wie aus dem Geiseldrama zwei Jahre zuvor in einem Moskauer Theater. Eine Verbesserung der Lage in Tschetschenien und ein Ende des Terrors wird es damit in Russland nicht geben.
Bereits bei seinem Amtsantritt kündigte Putin an, dass er den seit Jahren andauernden Konflikt in Tschetschenien mit Gewalt beenden werde. Dies ist ihm überhaupt nicht gelungen. Seine Weigerung, mit den Tschetschenen direkt zu verhandeln, zieht die kriegsähnlichen Zustände im Nordkaukasus in die Länge.
Tschetschenien
Seit fast vierzehn Jahren herrschen in Tschetschenien keine normalen Zustände, liegen Handel, Industrie und Bildung brach. Hunderttausende der knapp 1 Mio TschetschenInnen sind daher geflohen. Circa 8000 davon nach Österreich, wo sie aus nur allzu verständlichen Gründen um Asyl ansuchen.
In Vorarlberg stammen derzeit 300 der insgesamt
700 AsylbewerberInnen aus der Kaukasusregion.
Seit Herbst 2003 beschäftigt sich eine Vorarlberger Friedensgruppe intensiv mit dem Thema Tschetschenien. Der Psychologe Michael Striebel, die Politologin Manuela Hofer und die Fachfrau für interkulturelle Fragen Sagara Rümmele wollen ein Gegengewicht zur von Putin zensierten Berichterstattung schaffen. Mit Vorträgen weisen sie die Öffentlichkeit in Vorarlberg auf den derzeit größten militärischen Konflikt in Europa hin, der bereits mehr als 80.000 Menschenleben gefordert hat.
Posted in Abrüstung, Friedensjournalismus