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Massenheilung von Kriegsverbrechern, Terroristen und Soldaten

Erstellt am 11.09.2024 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 936 mal gelesen und am 16.09.2024 zuletzt geändert.

Eine neue Perspektive durch die Compassion Circle Methode

In einer Welt, die zunehmend von den Folgen von Kriegen und Gewalt geprägt ist, rückt die Frage nach der Heilung von Traumata in den Fokus.

Besonders Kriegsverbrecher und Soldaten, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) leiden, stehen oft vor enormen psychischen Herausforderungen.

Eine innovative Methode, die im Kontext des Gefängnissystems bereits beeindruckende Erfolge zeigt, könnte auch für diese Personengruppen eine Möglichkeit zur Heilung bieten: die Compassion Circle Methode des Compassion Prison Projects (CPP).

Die Anzahl der Soldaten, die seit 2000 an Kriegen teilgenommen haben, variiert stark je nach Konflikt und Land. Hier ist ein Überblick über einige Schätzungen:

1. US-amerikanische Soldaten: Die USA haben seit 2000 an mehreren großen Konflikten teilgenommen, darunter der Afghanistan-Krieg (2001–2021) und der Irak-Krieg (2003–2011). Im Afghanistan-Krieg dienten etwa 775.000 US-Soldaten, und im Irak-Krieg waren es ungefähr 1,5 Millionen. Insgesamt haben mehr als 2,77 Millionen US-Soldaten an den Kriegen in Afghanistan und im Irak teilgenommen .

2. Soldaten aus anderen Ländern: Viele andere Länder haben ebenfalls Truppen in Kriegs- und Konfliktgebiete entsandt, darunter NATO-Staaten sowie Länder aus Asien, Afrika und dem Nahen Osten. Beispielsweise nahmen Länder wie Großbritannien, Deutschland, Kanada und Australien an den Kriegen im Irak und Afghanistan teil. Großbritannien stellte etwa 220.000 Soldaten für den Irak- und Afghanistan-Einsatz .

3. Aktuelle Konflikte: Seit 2000 gab es weltweit eine Vielzahl von Kriegen und Konflikten, darunter der Bürgerkrieg in Syrien, der Krieg im Jemen und andere regionale Konflikte in Afrika und Asien. Diese Kriege haben auch zahlreiche Soldaten aus den betroffenen Ländern mobilisiert, aber die genaue Anzahl dieser Soldaten ist schwer zu ermitteln, da viele in den lokalen Milizen oder Armeen kämpfen.

Insgesamt lässt sich sagen, dass weltweit Millionen von Soldaten seit 2000 an verschiedenen Konflikten beteiligt waren. Die genaue Zahl hängt stark von der Definition eines “Soldaten” (reguläre Truppen, Milizen, private Sicherheitskräfte) und der Einbeziehung von Kriegen ab, die noch andauern.

Kindheits-Trauma als Wurzel von Gewalt

Eine genaue Zahl der Soldaten, die mit Kindheitstraumata in Kriege ziehen und retraumatisiert zurückkehren, lässt sich schwer ermitteln. Es gibt jedoch einige Hinweise auf die psychologischen Auswirkungen von Kindheitstraumata auf Soldaten und die Retraumatisierung durch Kriegserfahrungen:

1. Kindheitstrauma und Militärdienst: Studien legen nahe, dass viele Soldaten bereits vor ihrem Dienst an Kindheitstraumata leiden. Eine Untersuchung von 2019 ergab, dass etwa 30% der US-Veteranen, die in den Irak und nach Afghanistan entsandt wurden, signifikante Kindheitstraumata wie Missbrauch oder Vernachlässigung erlebt hatten . Diese Traumata beeinflussen nicht nur ihre psychische Stabilität vor dem Krieg, sondern erhöhen auch das Risiko für psychische Störungen wie PTBS nach der Rückkehr aus dem Krieg.

2. Retraumatisierung durch Kriegserfahrungen: Soldaten, die bereits vor ihrem Militärdienst an Trauma litten, sind besonders anfällig für Retraumatisierung. Der ständige Stress, die Gewalt und die Lebensgefahr in Kriegsgebieten können alte Traumata reaktivieren oder verstärken. Studien zeigen, dass Soldaten mit belastenden Kindheitserfahrungen ein höheres Risiko für PTBS und andere psychische Erkrankungen haben als diejenigen ohne solche Erfahrungen. Eine Studie des US-amerikanischen Department of Veterans Affairs fand heraus, dass Veteranen mit ACEs (Adverse Childhood Experiences) deutlich häufiger an PTBS, Depressionen und Angstzuständen leiden .

3. Langfristige Auswirkungen: Die Kombination aus Kindheitstraumata und Kriegserfahrungen führt oft zu schwereren und langanhaltenderen psychischen Erkrankungen. Viele der betroffenen Soldaten haben Schwierigkeiten, sich nach ihrer Rückkehr in das zivile Leben zu integrieren, und benötigen langfristige psychologische Unterstützung.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass eine beträchtliche Anzahl von Soldaten mit Kindheitstraumata in Kriege zieht und nach ihrer Rückkehr retraumatisiert ist. Diese doppelte Belastung erschwert ihre psychische Erholung erheblich und erfordert spezialisierte therapeutische Ansätze, um die langfristigen Auswirkungen von Trauma und Krieg zu bewältigen.

Fritzi Horstman, die Gründerin des CPP, hat mit ihrer Arbeit die Bedeutung von unverarbeiteten Kindheitstraumata für die Entstehung von Gewaltverhalten deutlich gemacht. Laut Studien zu Adverse Childhood Experiences (ACEs) tragen traumatische Kindheitserfahrungen maßgeblich zur Entwicklung von aggressivem oder kriminellem Verhalten bei. Die Compassion Circle Methode zielt darauf ab, diese Traumata sichtbar zu machen und den betroffenen Personen die Möglichkeit zu geben, Mitgefühl für sich selbst und andere zu entwickeln.

Gerade für Soldaten und Kriegsverbrecher, die häufig extreme Gewalt erfahren und ausgeübt haben, könnte diese Methode eine neue Form der Verarbeitung ermöglichen. Die psychischen Narben von Krieg und Gewalt bleiben oft verborgen, und ohne angemessene Behandlung setzen sie einen Kreislauf der Gewalt fort. Die Massenheilung, also die breite Anwendung dieser Methode in post-konfliktären Gesellschaften, könnte nicht nur das individuelle Leid lindern, sondern auch dazu beitragen, zukünftige Gewalt zu verhindern.

Der Weg zur Heilung: Compassion Circles und Traumabewältigung

In der Compassion Circle Methode stehen die Teilnehmenden in einem Kreis und treten vor, wenn sie traumatische Ereignisse ihrer Kindheit oder Jugend erlebt haben. Dieser Akt des „sichtbar Werdens“ und der geteilten Erfahrung schafft eine Atmosphäre von Vertrauen und gegenseitigem Verständnis. In Gefängnissen hat sich diese Methode bereits als wirksam erwiesen, um Täter zu rehabilitieren und ihr Verhalten kritisch zu reflektieren. Es könnte genauso effektiv sein, um Kriegsverbrechern oder Soldaten mit PTBS zu helfen, ihre Traumata zu verarbeiten.

Die Technik der Achtsamkeit und Meditation, die im Rahmen des Projekts eingesetzt wird, hilft den Teilnehmenden, in einen Zustand der Reflexion und Heilung zu gelangen. Besonders für Kriegsverbrecher, die oft mit Gefühlen der Schuld und Scham kämpfen, könnte dieser Ansatz den Weg zu einem tieferen Verständnis ihrer eigenen Geschichte und ihrer Taten ebnen. Gleichzeitig bietet er eine Chance, Mitgefühl für die Opfer zu entwickeln und sich mit der Vergangenheit zu versöhnen.

Politische und gesellschaftliche Implikationen

Die breite Anwendung der Compassion Circle Methode auf Kriegsverbrecher und Soldaten könnte weitreichende gesellschaftliche Implikationen haben. In vielen post-konfliktären Gesellschaften wird über die Bestrafung von Kriegsverbrechern diskutiert, aber nur selten über ihre Heilung. Eine solche Initiative könnte das Konzept der Gerechtigkeit erweitern, indem sie Rehabilitation und Traumabewältigung in den Mittelpunkt stellt. Wenn wir anerkennen, dass auch Täter Opfer von Gewalt und Missbrauch waren, öffnen wir die Tür zu einem tieferen Verständnis von Versöhnung und sozialer Heilung.

Darüber hinaus könnte die Massenheilung nicht nur auf individueller, sondern auch auf kollektiver Ebene wirken. In Ländern, die von Krieg und Gewalt betroffen sind, könnte ein solches Programm zur Reduktion von Rückfällen in Gewalt und zur Förderung von Frieden beitragen. Die Auseinandersetzung mit traumatischer Vergangenheit ist eine notwendige Voraussetzung, um den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen.

Link

https://compassionprisonproject.org

 

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