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Friedensstifter Johan Galtung 1930-2024+

Erstellt am 24.02.2024 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 1829 mal gelesen und am 26.02.2024 zuletzt geändert.

Johan Galtung.  Niccolò Caranti / Wikimedia Commons
Johan Galtung. Niccolò Caranti / Wikimedia Commons

Johan Galtung ist am Samstag den 17. Februar 2024 im 94. Lebensjahr verstorben. Sein Werk über wie „Strukturelle Gewalt“ kenne ich seit zirka 45 Jahren. Johan persönlich kennen gelernt habe ich, bewusst, im Jahr 2003 im Friedenszentrum in Burg Schlaining. Galtungs Konzept des Friedenjournalismus inspirierte mich schon bei der Begründung von friedensnews.at 2002. Wer war Galtung?

Johan Galtung war zunächst ein norwegischer Soziologe und Statistiker. Er war wohl auch der erste Mensch eine Professor für „Friedensforschung“ erwerben konnte. Galtung hat auch das Konzept des Friedensjournalismus entwickelt, um eine alternative Herangehensweise an zur üblichen unzureichenden Nachrichtenberichterstattung über Konflikte und Kriege zu fördern.

Portrait über Johan Galtung über das Lebenswerk von über 1600 Büchern in L’Alfas del Pi in Spanien September 2019

Galtung argumentierte, dass herkömmlicher Journalismus oft von negativen Ereignissen und Konflikten dominiert sei, was zu einer systematisch verzerrten Wahrnehmung der Realität führe. Sein Friedensjournalismus strebt danach, eine ausgewogenere und konstruktivere Berichterstattung zu fördern. Hier sind einige Schlüsselaspekte seines Konzepts:

  1. Gewaltfreie Analyse: Galtung betont die Bedeutung einer friedlichen Sprache und Analyse. Journalisten sollten versuchen, Ursachen von Konflikten zu verstehen, anstatt nur die Symptome zu berichten. Durch eine vertiefte Analyse sollten letztlich immer Lösungen und Wege zum Frieden in Kriegen und Konflikten aufgezeigt werden.
  2. Anerkennung von Hintergrundgeschichten: Friedenjournalismus beinhaltet eine gründliche Recherche und das Hervorheben von Hintergrundgeschichten. Dies ermögliche den Lesern ein umfassenderes Verständnis von Ursachen von Konflikten.
  3. Vielfalt der Stimmen: Galtung fördert die Einbeziehung verschiedener Perspektiven in den Medien. Dies bedeutet, dass nicht nur die Meinungen der Machthaber, sondern auch die Stimmen der Betroffenen und Friedensaktivisten gehört werden sollten.
  4. Lösungsorientierung: Im Gegensatz zur sensationalistischen Berichterstattung legt der Friedenjournalismus den Fokus auf Lösungen und Wege zum Frieden. Journalisten sollen nicht nur über Probleme berichten, sondern auch über positive Entwicklungen und Bemühungen um Konfliktlösung.
  5. Gerechtigkeit und Menschenrechte: Friedenjournalismus strebe danach, Prinzipien der Gerechtigkeit und Menschenrechte zu betonen. Journalisten sollen dazu beitragen, das Bewusstsein für Ungerechtigkeiten zu schärfen und für eine gerechtere Welt einzutreten.

Das Konzept des Friedenjournalismus zielt darauf ab, eine konstruktive und informierte Öffentlichkeit zu fördern. Diese sei besser in der Lage, mit Konflikten umzugehen und Frieden zu unterstützen. Es sei wichtig zu beachten, dass Friedenjournalismus nicht darauf abziele, Konflikte zu verschleiern, sondern eine ausgewogenere und tiefgründigere Berichterstattung zu ermöglichen. Johan hat nach der Vernichtung des Werks des Wiener Friedensnobelpreisträgers Alfred H. Fried den Friedensjournalismus nach Hiroshima und die Friedensforschung wieder erfunden oder zumindest aus dem Coma geholt.

Johan Galtung

Galtung wurde am 24. Oktober 1930 geboren. 15 Jahre nach seinem Geburtstag wurden 15 Jahre später die Vereinten Nationen gegründet wurden. Als Forscher war Galtung immer international oder gar transnational ausgerichtet. Er war ein ausgezeichneter Linguist, weit gereist und in mehreren Ländern und Sprachen heimisch.

Galtung war ein Mensch von außergewöhnlicher Energie. Nach der Hochschulreife in zwei Fächern absolvierte er zwei parallele Masterstudiengänge (in Statistik und Soziologie). Später hatte er Professuren in mehreren Fachgebieten und zahlreichen Ländern inne. In seinen jungen Jahren war er Unterzeichner des Manifests für „Aksjon mot doktorgraden“ (eine Kampagne gegen die norwegischen Doktorgrade), erhielt aber trotzdem später die Ehrendoktorwürde zahlreicher Universitäten.

PRIO-Logo

1959 Gründung des Peace Research Institute Oslo (PRIO)

Nachdem Galtung 1959 das spätere Peace Research Institute Oslo (PRIO) gegründet hatte, gründete er 1964 das Journal of Peace Research. Keines dieser beiden Unternehmen wäre ohne die Impulse, die Galtung ihnen in ihren frühen Jahren gab, zu dem geworden, was sie heute sind . 

1969 erster Professor für Friedensforschung

1969 wurde Galtung der erste Professor für Friedensforschung an der Universität Oslo. 

Obwohl es sich nicht um eine Privatprofessur handelte, besteht kein Zweifel daran, dass der Lehrstuhl nie eingerichtet worden wäre, wenn Galtungs Unterstützer an der Universität und in politischen Kreisen nicht gewusst hätten, dass es mindestens einen engagierten und kompetenten Bewerber geben würde. Galtung war noch keine 40 Jahre alt, als er auf die Professur berufen wurde, doch in gewisser Weise kam die Ernennung zu spät. 

Peace Research Institute Oslo (PRIO) – Nachruf auf Galtung

Sabbaticals und Aufenthalte im Ausland wurden immer häufiger und länger. 1978 trat Galtung zurück von der Professur. Er begründete seine Entscheidung mit einem der Wahlkampfpunkte der Studentenproteste von 1968:

Niemand sollte eine Professur länger als 10 Jahre innehaben! 

Es kamen nun andere Professuren in vielen anderen Ländern. Die längste davon war die der Politikwissenschaft an der University of Hawaii.

Galtungs erste Projekte am Peace Research Institute

Sie führten zu einer Reihe von Artikeln im Journal of Peace Research. Diese Artikel gehören nach wie vor zu seinen am häufigsten zitierten Werken. Sie betrafen vielfältige und wichtige Themen wie

  • strukturelle Gewalt
  • Friedenskonzepte
  • internationale Nachrichtenverbreitung
  • Imperialismus und
  • die Rolle von Gipfeltreffen in den internationalen Beziehungen. 

Zusammen mit Arne Næss war Galtung auch ein Pionier der Bemühungen, Gandhis Vorstellungen von Gewaltlosigkeit und Konfliktmanagement zu kodifizieren.

Nachdem Galtung das Osloer Friedensforschungsinstitut (PRIO) verließ und an die Universität Oslo wechselte orientierte er sich auch in vielerlei Hinsicht rein wissenschaftlich neu. Dies setzte er später in seiner internationalen Karriere fort. Seine öffentlichen Äußerungen wurden immer schärfer und polemischer. Das brachte Galtung viele Kritiker. Galtung hatte nie Probleme, Studenten und Mitarbeiter anzuziehen. Vielen seiner Studenten aus den Jahren seiner akademischen Tätigkeit in Norwegen fiel es schwer, Galtung bei dieser Neuorientierung zu folgen. 

Als wissenschaftliches Feld wurde die Friedensforschung akzeptierter und manche würden auch sagen: konventioneller. 

Prio Nachruf

Johan Galtung kommentierte das äußerst kritisch. Er hat beispielsweise vorgeschlagen, dass das Friedensforschungsinstitut seinen Namen auf etwas wie „Norwegisches Institut für Sicherheitsforschung“ ändern solle. Mit einem gewissen Unbehagen öffneten einige der PRIO-Weggefährten von uns Galtungs Autobiografie „ Johan uten land“ (wörtlich: „Johannes ohne Land“). Sie wurde an seinem 70. Geburtstag veröffentlicht. Zehn Jahre später folgte „ Launching Peace Studies: The“. Erste PRIO-Jahre. 

Aber in beiden Büchern überhäufte er seine Kollegen aus seinen Pionierjahren mit Komplimenten.

Prio Nachruf – Nils Petter Gleditsch, emeritierter PRIO-Forschungsprofessor

Galtung war mutig, so Prof. em. Gleditsch, weil er konkrete Vorhersagen über die Zukunft der Welt machte. Gleditschs Meinung nach war dies eine Stärke. Er begründete dies im Vergleich zu den vorsichtigen und im Nachhinein erläuternden Bemerkungen, zu denen die meisten anderen Sozialwissenschaftler in der Regel neigen. Galtung sei nicht immer gleichermaßen geschickt darin gewesen seine Fehler einzugestehen. Daher mangelte es ihm nicht an Kritikern, die ihn gern auf seine Fehler aufmerksam machten. Für einen Forscher könne Hartnäckigkeit eine Stärke sein, auch wenn es schwierig werde, so Gleditsch. 

Fortschritte in der Forschung werden oft durch einen Dialog zwischen den mutigen Stimmen und ihren Kritikern, zwischen dem Skeptiker und dem Enthusiasten erreicht, wie Johan selbst es in einem Aufsatz aus dem Jahr 1960 formulierte.

Prof. Gleditsch im Nachruf

Friedensforschungsinstitut (PRIO) 2002 Norwegens 1. Exzellenzzentrum für Sozialwissenschaften

Als das Friedensforschungsinstitut 2002 vom norwegischen Forschungsrat als erste Einrichtung zum Exzellenzzentrum für Sozialwissenschaften ernannt wurde, stellte dies eine Anerkennung dessen dar, was Galtung begonnen hatte. Das jedoch 24 Jahre nach Galtung’s ausscheiden 1978. Als das Team des PRIA 2002 davon erfuhr, schickte Gleditsch Galtung eine E-Mail, in der er auf seinen Anteil an der Ehre hinwies: „Du bist trotzdem ein bisschen stolz, nicht wahr?“ Galtung antwortete darauf zwar nicht positiv. Er leugnete es aber auch nicht.

Für diejenigen von uns, die in den 1960er Jahren jung waren und sich mit den Sozialwissenschaften und insbesondere mit der Friedensforschung beschäftigten, war Johan Galtung ein ungewöhnlich inspirierender Mentor. Er war großzügig mit seiner Zeit und bot endlose wissenschaftliche Anleitung und Ermutigung. Wenn etwas nicht gut lief, nahm er sich die Zeit, zu erklären, warum. Diejenigen von uns, die ihm auf seinem komplexen Weg nicht immer folgen konnten, sind dennoch auf ewig dankbar, dass wir bei unserem Einstieg in die Welt der Forschung so viel Hilfe und Unterstützung erfahren haben.

Prio Nachruf – Nils Petter Gleditsch, emeritierter PRIO-Forschungsprofessor

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PRIO ist laut eigenen Angaben: „Unabhängig – International – Interdisziplinär

Das Peace Research Institute Oslo (PRIO) erforscht die Bedingungen für friedliche Beziehungen zwischen Staaten, Gruppen und Menschen.“

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