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Stellt die Friedensfragen!

Sicherheitsrat friedensstiftend organisieren

Erstellt am 05.09.2022 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 2971 mal gelesen und am 05.09.2022 zuletzt geändert.
Klaus Schlichtmann

Heute fand ich ein lesenswertes Mail von Dr. Klaus Schlichtmann im Posteingang. Er ist 2022 auf der Short-List für den Nobelpreis nominiert. Ich habe Klaus Schlichtmann 2011 bei der Alfred Hermann Fried Konferenz erstmals kennengelernt. Frieds Credo der Friedenswarte „Organisiert die Welt“ bedeutet ja, unter anderem, dass friedfertig Leben nicht lauter Held*inn*en a la Gandhi, Luther King, Malala Yousafzai  … voraussetzt. Frieden sollte auch etwas für „Feiglinge“ wie mich werden, die nur ungern Kugeln in den Kopf gejagt bekommen – von irgend einem gewalttätigen Spinner. Quasi Organisation die Menschen friedlich werden lässt aufgrund systematischer Anreize von Markt und Staat,… Friedensheld*inn*en bin ich natürlich auch dafür. Ich hoffe, dass Greta hier auch noch mehr einsteigt. Der ökologische Fußabdruck der Atommächte ist ja besonders mies. Da sollen die Militarist*innen ruhig geifern, wenn Greta den Frieden entdeckt. Peace Around the Clock würde mir ja noch besser gefallen als nur Friday. Aber Friday ist natürlich viel besser als nix.

So und nun zum Mail, welchem ich gerne alles Licht der Öffentlichkeit gönne (Teilen macht mehr draus):

„Liebe Leute,
es ist schade, dass die Grünen damals, in den achtziger Jahren, auf unsere Initiative nicht angesprungen sind. Aus dem Büro Petra Kelly kam damals die folgende Antwort:  “Die … Übertragung von Souveränitätsrechten auf den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als friedenstiftendes Element ist bei den GRÜNEN alles andere als Konsens … [Die] Initiative greift – in der Sprache der ‘Realpolitik’ gesprochen! – der Zeit zu weit voraus.” (Brief vom 31. Mai 1985) Inzwischen sind Jahrzehnte vergangen. Die Untätigkeit der Parteien, auch der GRÜNEN, hatte Folgen. Der Friede ist nicht sicherer geworden.
Noch nicht erwähnt habe ich die FDP. Noch im September 2004 schrieb Dr. Ole Diehl, der Referent für Außenpolitik und Menschenrechte der FDP-Bundestagsfraktion, das „Projekt einer Übertragung von Souveranitatsrechten auf den Weltsicherheitsrat ist für eine Partei, die sich ausdrücklich für eine Stärkung des UN-Systems einsetzt, natürlich bedenkens- und durchaus auch unterstützenswert. Ich bin auch davon überzeugt, dass die FDP sich einer solchen Souveränitätsübertragung ‚zu gegebener Zeit‘ (wie Sie selbst schreiben) sicher nicht in den Weg stellen wird.“ 
Ich fürchte, dass es vielleicht zu spät ist, das Friedensgebot des Grundgesetzes gesetzgeberisch umzusetzen. Ich habe kaum Hoffnung, dass ich, im Februar 1944 in Hamburg geboren, mit dieser Initiative noch Erfolg haben könnte. Es fehlt die Unterstützung der Friedensbewegung. Aber ihr macht mir Mut, und ich werde mir Mühe geben, meinen Lebensplan, so wie ich ihn mir für die nächsten 10-20 Jahre vorgenommen habe, zu realisieren und nicht aufzugeben. 
Seid ihr eigentlich Teil eines bundesweiten Netzwerkes? Und wie läuft es mit der Planung für die Demo am 8.? Sehen wir uns auf zoom oder skype?  
LG, euerKlaus 
P.S. Unten ein nicht beantworteter Brief an die grüne Bundestagsabgeordnete Merle Spellerberg, der auch den Gesetzentwurf für die Übertragung von Sicherheitshoheitan die UNO enthält. 
“Die einzige wirksame Möglichkeit … Deutschland Sicherheit zu gewährleisten, ist die Schaffung eines Systems kollektiver Sicherheit.“ (Carlo Schmid, Deutsche Soldaten in einer internationalen Wehrmacht, Die Welt, 28.4.1949) 

———- Forwarded message ———
From: Dr. Klaus Schlichtmann <hr2k-schl@asahi-net.or.jp>
Date: Thu, May 19, 2022, 5:54 PM
Subject: Wirkliche kollektive Sicherheit!
To: <Merle.Spellerberg@bundestag.de>

The SA9 (“Second Article 9”) Campaign

Kazutoshi Abe (Vorsitzender) – Dr. Klaus Schlichtmann (Liaison)

Shimokayama 494-2-3-303, Hidaka-shi, 350-1233 Japan

email ca35782@gk9.so-net.ne.jp – phone 042-985-5114

Hidaka, d. 19. Mai 2022

“Die einzige wirksame Möglichkeit … Deutschland Sicherheit zu gewährleisten, ist die Schaffung eines Systems kollektiver Sicherheit.“ (Carlo Schmid, Deutsche Soldaten in einer internationalen Wehrmacht – nicht als Legionäre fremder Interessen, Die Welt, 28.4.1949) 

Sehr geehrte Frau Spellerberg, 

wir müssen uns überlegen, welche Art von Ordnung wir in Zukunft wollen, eine auf der Grundlage einer (noch zu schaffenden) Weltrechtsordnung oder eine auf der militärischen sog. ‚Friedenssicherung‘ beruhende. Selbstverständlich verurteilen wir den völkerrechtswidrigen russischen Angriff auf die Ukraine.

Es gibt allerdings deutscherseits eine Verpflichtung, gesetzgeberisch tätig zu werden, um den Übergang zu echter kollektiver Sicherheit und Abrüstung in die Wege zu leiten. Dass diese Möglichkeit besteht, zeigt ein Brief aus dem Büro Willy Brandt aus den achtziger Jahren, der bestätigt „dass Artikel 24 des Grundgesetzes eine Handhabe bietet, im Interesse eines kollektiven Sicherheitssystems auf Souveränitätsrechte zu verzichten“ und es sinnvoll wäre, wegen „des Bekenntnisses im Grundgesetz, dem Frieden der Welt zu dienen … einer Blockbildung zugunsten eines kollektiven Sicherheitssystems in Europa und in der Welt eine Absage zu erteilen.“ (Brief an den Vorsitzenden der Weltföderalisten Deutschlands e. V.) 

Bekanntlich ist die NATO kein „System gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ im Sinne des Grundgesetzes oder der Charta der Vereinten Nationen. Der im letzten Jahr verstorbene Diplomat Matthias Mülmenstädt, von 2001- 2007 Referatsleiter im Bundespräsidialamt für Internationale Entwicklung, schrieb mir vor einigen Jahren: Ich habe “Ihren Vorschlag, die NATO in das zukünftige Sicherheitssystem der Vereinten Nationen zu integrieren, mit besonderem Interesse gelesen.” (Mein Brief und die Antwort aus dem Bundespräsidialamt, 24. Juli 2003, in der Anlage) Wir meinen: daran sollte angeknüpft werden. 

Artikel 24 GG bestimmt: „Der Bund kann durch Gesetz Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen.“ Der Verfassungsgeber dachte dabei vor allem an die Vereinten Nationen. Daher unser Vorschlag, wie so ein Gesetz aussehen könnte (Vorschlag und Initiative für ein Gesetz zur Übertragung von Hoheitsrechten auf den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Kurzfassung):

BUNDESTAG – Gegenstand: Übertragung von Hoheitsrechten, betreffend das Recht des Staates auf Kriegführung und die nationale und internationale Sicherheit und den Weltfrieden, auf den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, Artikel 24 I GG und Artikel 24 I der Charta der Vereinten Nationen 

Der Bundestag, 

– im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, 

– von dem Willen beseelt, einen Prozeß einzuleiten, in dessen Verlauf sich die Organisation der Vereinten Nationen zu einem fähigen Instrument der Friedenssicherung mit einer eigenen, begrenzten, supranationalen Hoheit ausgestattet, entwickeln kann, 

– in der Erkenntnis der Notwendigkeit, daß zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit konkrete, vertrauensbildende Maßnahmen und rechtliche Schritte erforderlich sind, um ein schnelles und wirksames Handeln der Vereinten Nationen zu gewährleisten. (Vgl. VN-Charta Art. 24) 

– für die Organisation und Verteidigung des Friedens, (zit. nach der franz. Verfassung, Präambel, v. 27. Oktober 1946) 

– indem er aufrichtig einen internationalen Frieden auf der Grundlage von Gerechtigkeit und Ordnung anstrebt, (Artikel 9 der japanischen Verfassung v. 3. Mai 1947) 

– für eine Organisation, die den Frieden und die Gerechtigkeit zwischen Nationen sichert, (so Art. 11 der ital. Verf. v. 1. Januar 1948) 

– indem er sich der Tatsache bewußt ist, daß der Bund sich im Banner GrundgEsetz verpflichtet hat, in die Hoheitsbeschränkungen einzuwilligen, welche eine friedliche und dauerhafte Ordnung in Europa und zwischen der Völkern der Welt herbeiführen und sichern, (GG, Art. 24) 

– um den internationalen Frieden und die Sicherheit zu fördern, gerechte und ahrbare Beziehungen zwischen den Nationen aufrechtzuerhalten, den Respekt für internationales Recht und vertragliche Verpflichtungen in den Beziehungen organisierter Völker miteinander zu fördern und die Beilegung internationaler Streitigkeiten durch eine Schiedsgerichtsbarkeit zu ermutigen, (Indien, Art. 51) 

– zur Förderung der internationalen Rechtsordnung und Zusammenarbeit, (Dänemark, Art. 20) 

– um den internationalen Frieden und die Sicherheit zu garantieren und das internationale Recht und die Ordnung sowie die Zusammenarbeit zwischen den Nationen zu fördern, (Norwegen, Art. 115, von 1965) 

– strebend nach der Begründung und Entwicklung jeglicher Form von internationalen Zusammenarbeit, welche der Festigung des Friedens dient, (zit. nach jugosl. Verf. v. 21. Feb. 1974) 

– in dem Bemühen den Frieden und die Gerechtigkeit, und die Entwicklung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Völkern und Staaten zu stärken, und um einem wichtigen nationalen Interesse zu dienen und die Zusammenarbeit mit anderen Staaten zu fördern (zit. nach der griechischen Verfassung) und 

– entschlossen, die Entwicklung der internationalen ‚rule of law‘ voranzutreiben (zit. nach Art.  90 der niederl. Verfassung) und ein durchsetzbares Weltrecht zu begründen, 

überträgt dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit.

(nach einem Entwurf aus dem Jahre 1985) 

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie unseren Vorschlag mit Ihren Kolleginnen und Kollegen diskutieren würden. Ich bin überzeugt, sollte die Bundesregierung in Erwägung ziehen und öffentlich Überlegungen anstellen, in diesem Sinne gesetzgeberisch tätig zu werden, dass die russische Führung damit an den Verhandlungstisch gebracht wird. 

Ich freue mich auf Ihre Antwort! Für die SA9-Kampagne, Ihr

Klaus Schlichtmann (Friedens- und Asienhistoriker)

Veröffentlichungen: http://www.unfor.net/en/mypub.html

Zu Artikel 106 der VN-Charta: http://www.unfor.info/transition_text.pdf   „

⬤ In den Talkshows der letzten Monate wird ein Sicherheitsaspekt ignoriert: Sowohl Selensky (https://www.president.gov.ua/en/news/ukrayina-povinna-mati-kolektivnij-dogovir-bezpeki-zi-vsima-s-73433) als auch Wladimir Putin (http://www.worldfuturefund.org/Reports/putinspeech.htm) fordern ein weltweites, „blockfreies“ System kollektiver Sicherheit. Sind diese Aussagen glaubwürdig? Und wenn ja, wie ist es zu bewerten, dass sie ignoriert werden
<Bundespräsident Rau Korrespondenz 2003.pdf>

 

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