Sicherheit im öffentlichen Raum
Die Präventionsfachtagung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit
diskutierte am 7. Oktober 2010 im Hotel Courtyard by Marriott, Wien, Fragen wie:
Wem gehört eigentlich der öffentliche Raum?
Denn, diese Frage stelle sich vor allem dann, wenn es um die Sicherheit desselben gehe.
Öffentlich zugängliche Flächen wie
• Plätze, Parkanlagen oder
• Verkehrsflächen
seien verstärkt Schauplätze vielfältiger Formen von Kriminalität.
Die Kriminalprävention sehe sich damit laufend mit neuen Herausforderungen konfrontiert, denen sich neben der Polizei vermehrt auch private Sicherheitsdienstleister stellen.
Zum Einsatz kommen dabei technische Entwicklungen – von der Videoüberwachung bis zu geographischen Informationssystemen:
Sie bieten
• einerseits für die polizeiliche Ermittlungsarbeit und Strategieentwicklung vielversprechende Möglichkeiten.
• Andererseits werfen Kontrolle und Überwachung allgemein aber auch Fragen der Freiheitseinschränkung auf.
Die Präventionsfachtagung diskutierte diese Fragen vor dem Hintergrund unterschiedlicher Blickrichtungen. Erfahrungen von Soziologie, Friedenspädagogik, Ökonomie, Sozialarbeit, Polizei und privaten Sicherheitsdienstleistern wurden mit ökonomischen, friedens- und konfliktwissenschaftlichen, kriminologischen, psychologischen, sozial- und kulturwissenschaftlichen und Analysen beleuchtet. Neben den technischen Veränderungen und den sozialen Problemen kamen auch
1. der öffentliche Raum selbst sowie
2. seine Gestaltung und soziale Nutzung zur Sprache.
Welche Inhalte wurden angeboten?
Öffentliche Sicherheit und Kriminalität: Wie steht es um Sicherheit, Ordnung und Kontrolle im öffentlichen Raum?
Sicherheitsarbeit und Nutzergruppen: Welche Konflikte gibt es im öffentlichen Raum, und welchen Beitrag kann private Sicherheitsarbeit leisten?
Raum und Gesellschaft – Ansätze der Prävention: Welche Möglichkeiten und Grenzen hat Kriminalprävention auf öffentlich zugänglichen Plätzen, und welche Bedeutung spielt Zivilcourage in diesem Kontext?
Visualisierung von Kriminalität: Wie kann Kriminalität im öffentlichen Raum visualisiert werden, und welche Bedeutung hat Überwachung aus kulturwissenschaftlicher Perspektive?
Der Friedens- und Konfliktarbeiter Mag. Andreas H. Landl, der im Vorstand des Zentrums für Interaktion, Medien und soziale Diversität tätig ist, spannte gemeinsam mit Dr. Christopher Schlembach (KfV), der für das Programm der Tagung verantwortlich zeichnete, das breite Spektrum der Aspekte der Tagung kontrapunktisch auf.
Christopher Schlembach sprach zum „Strukturwandel der Öffentlichkeit in der späten Moderne“ über „Sicherheit, Ordnung, Kontrolle und der öffentliche Raum“ in diesem Kontext. Besonders interessant waren seine Ausführungen über Zimbardos „Broken Windows Theorie“, die darlegt, dass die Gestaltung von Situationen in öffentlichen Räumen manchmal sogar wichtiger ist wie präventive Sozialisation.
Andreas Landl sprach komplementär dazu über „Prävention von der Friedenspädagogik im Kindergarten bis zur Burschenarbeit. Frieden, Chaos, Vertrauen und einige politische Optionen im Raum“. Sein Credo lautete, dass klassische Polizei- und Sicherheitsarbeit mit Präventionsarbeit im wissenschaftlichen Sinne wenig zu tun hat. Sie ist auf die Unterbrechung krimineller Handlungen gerichtet. Die Verhaftung oder Anzeige eines Täters hat keinen pädagogischen Aspekt und zielt in der Regel auch nicht auf Resozialisation. Sie ist Abschreckung und Kontrolle von Fehlverhalten. Fällt die Gewalt der Sicherheitsarbeiter weg und entsteht so ein toter Winkel von Kontrolle und Überwachung, so stoßen Gewalttäter mit viel Energie und Kreativität in dieses Vakuum. Friedenspädagogische Gewaltprävention arbeitet dagegen an der Wurzel der Kriminalität und säht Wohlverhalten im Keim bzw. hegt und pflegt das soziale Verhalten im öffentlichen Raum bereits in privaten Sphären.
Im Block über „Sicherheitsarbeit und Nutzergruppen“ sprach Dr. Walter Fuchs (Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie) über „Private Sicherheitsdienste und öffentlicher Raum in Österreich“ über rechtliche und kriminologische Aspekte.
Mag. Martin Nagele und Melanie Haider (KfV) befasse sich mit dem Thema „Offene Jugendarbeit als präventive Maßnahme im öffentlichen Raum“.
Ein hervorragendes Referat hielt Ansätze der Prävention Dr. Günter Stummvoll über die „Planung urbaner Sicherheit: Sozialräumliche Untersuchungen zur Kriminalprävention“.
Mag.a Susi Bali (Zara) war die einzige Referentin der Tagung. Sie sprach über „Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit: Eingreifen in unangenehme Situationen in der Öffentlichkeit – braucht es wirklich Heldinnen und Helden?“
Die aktuellen Möglichkeiten der Visualisierung von Kriminalität aufgrund polizeilicher Daten sprach Mag. Paul Marouschek (Bundeskriminalamt Österreich. Ob GIS als Unterstützung für die aktuelle kriminalpolizeiliche Präventionsarbeit nachhaltig hilfreich ist, bezweifelten einige der anwesenden Experten. Da gut sichtbar wurde, dass Kriminalität durch Polizeimaßnahmen – wie zu erwarten – in der Regel eher mit viel Aufwand verschoben wird.
Univ.-Prof. Dr. Reinhold Knoll (Institut für Soziologie, Universität Wien) zeigte, was ein kluger Kopf in freier Rede zum Thema beitragen kann. Er sprach über „Überwachungstechnologien und Verhaltenswandel im öffentlichen Raum“ und „nicht intendierte Effekte intendierter Maßnahmen“.
Die Diskussionen waren durchwegs sachlich und bereichernd. Insgesamt war die Tagung ein anregender Beitrag zu einem brisanten Themenfeld.
Link:
http://www.kfv.at/eigentum-feuer/veranstaltungen/praeventionstagung-2010/
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