Friedlicher Widerstand gegen Putin mit Fahrrädern
Russland: Leiser Widerstand auf Rädern – auf ö1 nachhörbar
Gefährlicher Widerstand
Jenifer Girke und Roman Schell berichteten bereits im ZDF 23.07.2022 18:32 wie junge Russen sonst noch rebellieren
Wie junge Russen gegen Putin und seinen Krieg rebellieren
Sie sind gegen Krieg, gegen den Kreml: mutige Rebellen in Sankt Petersburg. Ihr Kampffeld: Dächer und Hinterhöfe.
Ihre Mittel sind meist friedlich
Sprühdosen und Videos.
Ihr Gegner: das Regime Putins
Die Protestgruppe „YAV“ sprühe etwa in St. Petersburg Graffitis, klebe Plakate und drehe Videos gegen die russische Kriegspropaganda. Die Gruppe sei eine der letzten Protestgruppen.
Das Leben des Malers und Aktionskünstlers Alexander Voronin sei bestimmt von Widerstand und Sehnsucht.
Eine Sehnsucht nach einem Russland, das keine Kriege anführt und in dem Meinungsäußerung zumindest erlaubt, bestenfalls gewünscht, ist. Dafür startet er immer wieder Aktionen, für die mehrere Jahre Gefängnis drohen könnten.
https://www.zdf.de/nachrichten/politik/widerstand-russland-sankt-petersburg-ukraine-krieg-100.html – 23.6.23 16:28
Überzeugung und Angst treiben die Proteste in Russland
In ihren Rucksäcken tragen Alexander und sein Kumpel Max Sprühdosen für Antikriegs-Graffitis.
Bei uns werden Menschen festgenommen, die einfach nur mit einem weißen Blatt Papier auf der Straße stehen. Angeblich diskreditieren sie damit die russische Armee.
Max Degoev, Roofer – Quelle: zdf.de
Ziel der russischen Regierung sei es, Angst einzujagen. Denen, die protestieren und auch allen anderen, damit sie nicht auf ähnliche Ideen kämen.
Stadtzentrum von Sankt Petersburg zu riskant für friedliche Proteste und Meinungsfreiheit
Im Stadtzentrum von Sankt Petersburg galten schon kurz nach Kriegsbeginn Protestaktionen als zu riskant. Zu viele Überwachungskameras und Polizisten gibt es hier. Alexander Voronin ist Teil der Künstlergruppe „Yav“ („Wirklichkeit“), die seit Jahren gegen den russischen Präsident Wladimir Putin protestiert. In einem verlassenen Hof sprühe Alexander Schatten auf die Wände.
Stolz, mutig, mit ungebrochenem Willen wehren sich trotzdem junge Russ*innen gegen den Krieg, gegen die Diktatur im eigenen Land. Sie riskieren dabei ihre Freiheit und ihr Leben.
Schatten werden zum Symbol für Flucht vor dem Krieg
Aus dem Kunstwerk entstand außerdem ein Video: Darsteller*innen lassen die Schatten zum Leben erwecken, treten aus ihnen heraus, verlassen den Ort, verlassen ihre Heimat.
So wurden die Schatten zu einem Symbol vom Menschen, die in diesen Tagen aus Russland fliehen. Bis November 2022 waren es nach Schätzungen westlicher Medien an die 400000 (ntv). Aktuellere Zahlen zu Russland scheinen im freien Westen der noch direkt oder verschleiert an Putins Ressourcen hängt schwer zu bekommen. Die österreichische Tageszeitung die „Die Presse“ berichtete am 20.6.2023
„Kein Asyl in Österreich für russischen Wehrdienstverweigerer
Die Asylbehörde wies den Antrag eines Russen zurück. Ihr Argument: Die Mobilmachung sei beendet. Zudem könne nicht von systematischen Kriegsverbrechen der russischen Armee ausgegangen werden.“
Der Fall eines Wehrdienstverweigerers aus Russland sorgte für Aufsehen und Fassungslosigkeit. „Im Oktober des vergangenen Jahres beantragte der Mann, der einer ethnischen Minderheit in Russland entstammt und sich als Buddhist bezeichnet, in Österreich Asyl. Zuvor hatte er einen Einberufungsbefehl erhalten. Jedoch wehre er sich, gegen die Ukrainer zu kämpfen, „weil dieser Krieg meinen moralischen Prinzipien und meiner Religion widerspricht“, wie er bei der Einvernahme sagte. Und: „Die Ukrainer haben mir nichts angetan.“ (Presse 20.6.2022)
Die österreichische Asylbehörde
Die Asylbehörde lehnte den Antrag des Mannes ab. Im Bescheid heißt es, laut Presse, dass seine vorgebrachten Gründe nicht glaubhaft und asylrelevant seien. Es gebe „keine stichhaltigen Gründe“. Dass der Betroffene „einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe“ ausgesetzt sei, noch anderen „individuellen Gefahren“. Aufgrund gesundheitlicher Probleme sei der Reservist und ohnehin nur teilweise tauglich. Zudem sei die Mobilmachung der Armee vom Kreml beendet worden. Eine sogenannte Teilmobilmachung sei vergangenen September ausgerufen worden. Als Universitätsabsolvent im erwerbsfähigen Alter könne er eine Arbeit in Russland eine Arbeit finden.
Kriegsvertriebene aus der Ukraine
Seit Kriegsbeginn im Feber 2022 flohen bis Ende Mai 2023 an die 23 Millionen Menschen für dem Krieg. Die Gründe waren und sind zunehmende Repressionen und Perspektivlosigkeit in beiden Ländern.
Zurück nach Russland
Die Darstellenden machen das aus Überzeugung. Ihnen sei bewusst, dass ihre Aktionen Konsequenzen haben könnten. Die Schauspielerin Lera sagte (laut zdf):
„Für mich ist meine Angst ein Aufruf zur Handlung.“
Es ist wichtig für mich, wenigstens etwas zu sagen. Schade, dass ich nicht mehr machen kann.
Oleg, Künstlerkollektiv „Yav“ laut zdf
Zensur in Russland seit 2022
Penis und Hakenkreuz ja
Friedenstaube nein
Nur ein paar Tage nach den Dreharbeiten kehrten Alexander und Max zurück in den Hof.
Ihre Graffitis: verschwunden.
„Schau, die Schatten sind nicht mehr da. Die Penisse nebendran schon“, sagte Alexander Voronin.
Max Degoev meinte:
„Es ist doch witzig, dass ausgerechnet die Garage mit den Friedenstauben abgebrannt ist, oder?“
So sehe Kriegszensur in Putins Russland aus. Die Straßen kontrolliere die Staatsmacht. Max und Alexander müssten dem so weit wie möglich entkommen, um ihre Antikriegsbotschaften platzieren zu können, ohne dass sie gleich übermalt würden.
Max sei ein so genannter Roofer. Er steige auf die Dächer Sankt Petersburgs, um dort oben einige seiner Botschaften zu platzieren. Und dann wenigstens für einen kurzen Moment das Gefühl von Freiheit zu genießen.
Doch ganz gleich, wo sie sprühten – Klartext könnten sie sich nicht trauen. Die Aussagen seien metaphorisch ohne Antikriegsparolen und Symbole. Und trotzdem eindeutig für alle die für und gegen Putins Regime sind.
Auch in Russland leidet die Jugend an Depressionen
Zehntausende junge Russen und Russinnen fühlen sich eingesperrt in ihrem Land und sie fliehen – wenn möglich – weil sie Putins Russland nicht mehr aushalten.
Keiner weiß, was morgen kommt und wer wir morgen sein werden. Das zerrt an den Nerven.
Lera, Schauspielerin – laut zdf
Viel mehr Menschen holten sich inzwischen psychologische Hilfe. „Bei jedem zweiten Bekannten von mir wurde eine Depression diagnostiziert“, berichtete Alexander. Laut einer Studie aus 2021 litt im Vergleich dazu in Österreich nach einem Jahr Pandemie rund ein Viertel der Bevölkerung (26 Prozent) an depressiven Symptomen, 23 Prozent an Angstsymptomen und 18 Prozent an Schlafstörungen.
Es ist nicht mehr möglich, in Russland zu leben und zu arbeiten. Wie im Autopilot-Modus machen die Leute ihren Alltag, gehen zur Arbeit und nach Hause. Dabei weiß keiner von ihnen, was sie machen sollen. Niemand weiß, was wirklich zu tun ist.
Alexander Voronin, Künstlergruppe“Yav“ – laut zdf
2022 suchten Nachts Alexander und seine Freunde noch ihr kleines Stück Freiheit in verlassenen Industriewerken der Stadt in der Peripherie. In diese stinkenden und einsturzgefährdeten Gebäude kam in der Regel keine Polizei. Nur hier überleben ihre Graffitis einige Zeit.
Harald Stutte 15.03.2023, 07:19 Uhr auf rnd.e
„Mehr Kritik an Putins Strategie“
Das Brodeln unter der Oberfläche nehme zu. In Russland wache der Widerstand gegen den Krieg und die Bedingungen, unter denen die Soldaten kämpfen müssen. Beobachter würden bereits von „Kontrollverlust“ der Russischen Regierung sprechen. Der Kreml reagiere ungewöhnlich. Es seien Bilder, die das Kremlnarrativ von einem Volk, das wie ein Mann hinter den kämpfenden Soldaten in der „Spezialoperation“ stehe, empfindlich störten. Zum Beispiel: Zwei Dutzend Frauen stehen da bei schwacher Beleuchtung in einer schneebedeckten Stadt, ihre Gesichter drücken Besorgnis aus. Sie halten ein Schild hoch, das keine Forderung stellt – nur die Nummer einer militärischen Einheit nennt, dazu als Datum den 11. März.
Die Frauen wenden sich in einem Video direkt an den russischen Präsidenten. Das Video wurde geteilt im unabhängigen russischen Telegram-Kanal SOTA. In einer „Bitte“, wie traditionell in Russland früher schon oft geschehen geschehen sei. Bekanntlich seien Herrscher in Russland stets als eine Art Übervater wahrgenommen worden. Egal ob sich um Zaren oder den Diktator „Väterchen“ Stalin handelte. Das Väterchen könne für das irdische Elend, für das stets seine Handlanger verantwortlich gemacht werden, nichts und daher solle das Väterchen gnädig sein. Kecke Unterwerfung wie beim braven Soldaten Schwejk. Vielleicht sollte der russische Deserteur eine Bitte an Väterchen Van der Bellen richten.
Posted in Friedensbewegung, Friedensjournalismus, Friedenspädagogik, Friedensstifter, Friedensstifterin, Russland, Tipp