Nachhaltiger Konsum
Nachhaltiger Konsum ist
- Teil einer nachhaltigen Lebensweise und
- ein Verbraucherverhalten
Umwelt- und sozialverträglich bereitgestellte Produkte
Gandhi empfahl möglichst viel selbst herzustellen. Dies ist noch einiges unbequemer als FAIRTRADE wäre aber vermutlich auch nachhaltiger und friedlicher. Wie schaut es mit der Freiheit der mündiger Konsumenten in Marktwirtschaften heute aus?
Wer nachhaltige Produkte kauft
- übt „politischen“ Einfluss auf globale Problemlagen aus
- um die ökonomischen, ökologischen und sozialen Kosten zu minimieren.
Bekanntes Beispiel für die globale Dimension von Kaufentscheidungen – die Bemühungen zum fairen Handel
Bewusste Verbraucher sollen laut FAIRTRADE-Philosophie etwas teurere Güter kleinerer Erzeuger aus Entwicklungsländern nehmen und so gerechte Arbeitsbedingungen unterstützen. Sie können dafür ein Besseres Gewissen haben. Für die Kaufentscheidung sollen vor allem
- die ökologischen und
- sozialen Folgekosten
eines Produktes ausschlaggebend sein. Berücksichtigt wird beispielsweise
- der einergieverbrauch bei der Produktion und
- der spätere Energieverbrauch
- leichte Reparierbarkeit und
- die Langlebigkeit der Produkte.
Der Begriff ethischer Konsum
- Dieser Begrifft wird gelegentlich synonym zum Begriff nachhaltiger Konsum verwendet.[1]
- Allgemeiner können wir unter ethischem Konsum Konsum verstehen, der von ethischen Erwägungen des Konsumenten – beeinflusst wird.[2][3] Also nicht nur hinsichtlich Nachhaltigkeit. Die Fragen, ob eine Form der Fleischproduktion mit dem Tierwohl eher vereinbar ist als eine andere hat, nichts unmittelbar der Kategorie der „Nachhaltigkeit“ zu tun. Diese Frage ist aber für ethisch orientierte Verbraucher oft von zentraler Bedeutung. Im Islam müsste ein hallal geschlachtetes Tier auch hallal gehalten worden sein. Das hieße der Halter müsste des dem Tier ermöglichen bis zur Schlachtung das best mögliche Leben zu führen. Diese würde wohl eher artgerechte Haltung und keine industrielle Massentierhaltung implizieren. Bilder von blutig gemeuchelten Schafen und halb verhungerten Eseln lassen uns daran zweifeln, dass eine islamische Geisteshaltung mit dem westlichen Tierschutzgedanken vereinbar ist. Tatsächlich handelt es sich dabei möglicher Weise um ein Vorurteil. Im Islam sehen manche nämlich die Idee einer „Mitgeschöpflichkeit“ im Prinzip noch tiefer verankert als im Christentum.
Geschichte des Begriffs Nachhaltiger Konsum
Die Entstehung des Begriffs Nachhaltiger Konsum steht im Kontext der Diskussion um eine nachhaltige Entwicklung. Wobei letzteres eine Entwicklung versteht, die
- den Bedürfnissen der jetzigen Generation entspricht,
- ohne dass Möglichkeiten künftiger Generationen, ihre eigenen Bedürfnisse befriedigen zu können, gefährdet werden.
Der Ursprung des Begriffs Nachhaltiger Konsum geht zurück auf Kapitel 4 der Agenda 21,
1992 wurde Agenda 21 auf der so genannten Rio-Konferenz verabschiedet. Unter dem Titel „Veränderung von Konsumgewohnheiten“ wurde gefordert,
- sich gezielt mit nicht nachhaltigen Produktionsweisen und Konsumgewohnheiten auseinanderzusetzen und
- eine einzelstaatliche Politik zur Veränderung derselben zu entwickeln.
Das würde dem Sachverhalt Rechnung tragen, dass
- die Nachfrage Produktionsstrukturen und -prozesse steuert und
- in der Konsumsphäre selbst Umweltbelastungen stattfinden, die einer nachhaltigen Entwicklung entgegenstehen.
2002 wurde beim Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung in Johannesburg vor dem Hintergrund immer weniger nachhaltiger Produktions- und Konsummuster die Entwicklung eines Zehn-Jahres-Rahmenprogramms für nachhaltigen Konsum und Produktion beschlossen. Dieses Programm wurde ab 2003 als sogenannter Marrakesch-Prozess bezeichnet.
Eine einheitliche allseits anerkannte Definition des Begriffs „nachhaltiger Konsum“ fehlt allerdings bis heute.
Eine hilfreiche Definition, die der Arbeit der deutschen Verbraucherzentralen zugrunde liegt, versteht unter „nachhaltigem Konsum“den :
Ver- bzw. Gebrauch von Gütern und Dienstleistungen, der
- die Bedürfnisse der Konsumenten erfüllt,
- Umwelt und Ressourcen schont und
- sowohl sozialverträglich als auch ökonomisch tragfähig ist.
Diese Definition umfasst drei grundlegende Nachhaltigkeitsdimensionen des Drei Säulen Modells der Nachhaltigkeit.
- Umwelt- und Ressourcenschonung,
- Sozialverträglichkeit,
- ökonomische Tragfähigkeit
Nachhaltiger Konsum und Konsumverzicht
Dem Konzept nachhaltiger Konsum steht das Konzept Konsumverzicht gegenüber. Hierbei steht die Überlegung im Zentrum,
- ob man wirklich ein neues Produkt benötigt,
- oder nicht das alte reparieren,
- ein gebrauchtes kaufen, mieten oder tauschen möchte
- oder durch Upcycling aus einem alten ein neues Produkt herstellen kann.
Ende November findet der Aktionstag für Konsumverzicht statt, der Kauf-nix-Tag, siehe auch: Suffizienz (Ökologie).
Nachhaltiger Konsum von Einzelverbrauchern
Menschen, die einen nachhaltigen Lebensstil praktizieren, werden als LOHAS (nach engl. Lifestyles of Health and Sustainability) bezeichnet. Menschen, die bewusst weniger Fleisch konsumieren, da sie den negativen Umweltauswirkungen der Massentierhaltung entgegenwirken wollen, werden Flexitarier genannt.[4]
Zertifizierungen von Produkten oder Unternehmen können dem Verbraucher als Hilfe bei der Konsumentscheidung dienen. Es existieren zahlreiche Produktzertifizierungen mit entsprechenden Gütesiegeln, z.B. das Fair-Trade-Siegel für „fairen Handel“ oder das Demeter-Siegel für eine bio-dynamische Wirtschaftsweise. Des Weiteren bietet der CSE-Standard als Unternehmenszertifizierung für Wirtschaftsakteure eine Richtlinie für ethischen Konsum.
s.a. Sinnmarkt#Ethischer Konsum und Sinnmarkt#Selektive Sinnorientierung und Umsetzungsdefizite
Nachhaltiger Konsum von Unternehmen und Organisationen
Bei nachhaltigem Konsum denkt man bisher eher an Einzelverbraucher, weniger an Unternehmen. Bei Unternehmen spricht man im Kontext mit nachhaltigem Handeln vor allem von Corporate Social Responsibility. Unternehmen verbrauchen bei der Erstellung von Produkten für „Endverbrauche“ ebenfalls Ressourcen. Daher liegt beim Verbrauch von Diensten und Rohstoffen und Vorprodukten durch Unternehmen der Fokus meist auf der Zulieferkette beziehungsweise Wertschöpfungskette. Bei verantwortungsbewussten Unternehmen ist diese Kette nicht nur
- wirtschaftlich rentabel, sondern auch
- sozial und ökologisch verträglich
gestaltet sein sollte. Es geht hierbei einerseits meist um
- das Produkt selbst beziehungsweise andererseits um
- den Herstellungs- und Lieferprozess.
Zunehmend stärker in den Fokus gerät bei Unternehmen der Nachhaltige „Konsum“ im Bürobetrieb.
Vor allem im ökologischen Bereich können Unternehmen und Organisationen nach dem Green-Office-Prinzip[5] ihre Ökobilanz verbessern. Dabei spielen vor allem
- die Beschaffung und
- das Verhalten der Mitarbeitenden
eine wichtige Rolle. In folgenden Bereichen bieten sich Anknüpfungspunkte für nachhaltigen Konsum in Unternehmen und Organisationen:[6][7][8][9]
- Energie und Ressourcen – Beispiele: Nutzung von Ökostrom, Eigenstromerzeugung zum Beispiel über Photovoltaik, Doppelseitiges Drucken, Ausschalten von Geräten und Beleuchtung bei Nichtgebrauch
- Mobilität – Beispiele: Firmenfahrräder, Jobtickets, emissionsarme Fahrzeuge, Bahn statt Flugzeug oder – wenn Flüge unvermeidbar sind – Kompensation der Flüge über Klimaschutzprojekte
- Bürobedarf und Ausstattung – Beispiele: Anschaffung energiearmer und/oder recycelter Bürogeräte, Recyclingpapier
- Catering und Veranstaltungsmanagement – Beispiele: wenn möglich regional und saisonal einkaufen,[10] Produkte aus fairem Handel bevorzugen
Zur sozialen Dimension nachhaltigen Konsums in Unternehmen und Organisationen zählt neben dem Fairen Handel auch das Betriebliche Gesundheitsmanagement.
Kontroverse und den Nachhaltigen Konsum
Faktum ist: „Viele Produkte, welche nachhaltig konsumierbar sein sollen, sind eher ein Instrument des Marketings des anbietenden Unternehmens, als Teil einer nachhaltigen Lebensweise.“
Beispiel Ökostrom und Greenwashing:
Der Bezug von Ökostrom kann zwar nachhaltiger sein,[11]
in vielen Fällen ist das Produkt jedoch ein Mittel zur Kundenbindung und zur Steigerung des Absatz.
Konsumenten heute oft sehr aufwendige ein wohliges Gefühl beim vorgeblich nachhaltigen Konsum vermittelt.
Oft ist die Umweltwirkung in Wirklichkeit nur Fassade ist ( Greenwashing).
Nicht selten verkommt oberflächlicher „nachhaltiger Konsum“ zum Ersatz für „echtes“ politisches oder gesellschaftliches Engagement (Beispiel: Bionade-Biedermeier).
Literatur
- Karl-Werner Brand (Hrsg.): Von der Agrarwende zur Konsumwende? Die Kettenperspektive. Ergebnisband 2, Band 5 (der SÖF-Buchreihe), oekom Verlag München 2006, ISBN 3-86581-040-3[12]
- Tanja Busse: Die Einkaufsrevolution. Konsumenten entdecken ihre Macht. Blessing Verlag, München 2006, ISBN 3-89667-312-2.
- Kevin Riemer: Vertrauen im Kontext des nachhaltigen Konsums. AVM, München 2015, ISBN 978-3-86924-624-6
- Rico Defila, Antonietta Di Giulio, Ruth Kaufmann-Hayoz (Hrsg.): Wesen und Wege nachhaltigen Konsums. Ergebnisse aus dem Themenschwerpunkt „Vom Wissen zum Handeln – Neue Wege zum Nachhaltigen Konsum“. oekom Verlag. München 2011, ISBN 978-3-86581-296-4.
- Frank-Martin Belz, Georg Karg, Dieter Witt (Hrsg.): Nachhaltiger Konsum und Verbraucherpolitik im 21. Jahrhundert. metropolis Verlag, Marburg 2007, ISBN 978-3-89518-601-1.
- Helmut Hagemann: Vom Kassenzettel zum Stimmzettel. Orientierungshilfen für nachhaltige Kaufentscheidungen im Massenmarkt. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie, Wuppertal 2004, (Wuppertal Papers 150, ISSN 0949-5266), online (PDF; 1,9 MB).
- Leo Hickman: Fast nackt. Mein abenteuerlicher Versuch, ethisch korrekt zu leben. Pendo Verlag, München 2006, ISBN 3-86612-100-8.
- Kai Hudetz, Aline Eckstein: Informationsverhalten und Informationsbedürfnis der Konsumenten zum Thema Nachhaltigkeit. Studie des Instituts für Handelsforschung (IfH) und Stayfair.de, Köln 11. Juni 2010.
- Bernhard Pötter: König Kunde ruiniert sein Land. oekom Verlag, München 2006, ISBN 3-936581-92-4.
- Gerhard Scherhorn, Christoph Weber (Hrsg.): Nachhaltiger Konsum. Auf dem Weg zur gesellschaftlichen Verankerung. oekom Verlag, München 2002, ISBN 3-928244-85-X.
- Dagmar Vinz: Nachhaltiger Konsum und Ernährung: Private KonsumentInnen zwischen Abhängigkeit und Empowerment. In: PROKLA – Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 138: Ökonomie des Konsums. 35. Jg, Nr. 1, März 2005, ISSN 0342-8176, S. 15–34.
- Ingo Balderjahn: Nachhaltiges Management und Konsumentenverhalten. UTB Lucius, München 2013, ISBN 978-3-8252-3902-2.
- John Naish: Genug: Wie Sie der Welt des Überflusses entkommen. Bastei-Lübbe, Bergisch Gladbach 2008, ISBN 978-3-404-66436-8.
Siehe auch
Weblinks
- Nachhaltiger Warenkorb vom Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung. In: nachhaltiger-warenkorb.de
- Labeldatenbank der Verbraucherinitiative. In: label-online.de
- Verbraucherportal der Bundesregierung zur Bewertung von Umwelt- und Sozialsiegeln. In: siegelklarheit.de
- Linkliste und Datenbank der Nachhaltigkeitsprojekte der Verbraucherzentralen. In: verbrauchertag.de
- Themenschwerpunkt „Vom Wissen zum Handeln – Neue Wege zum Nachhaltigen Konsum“ des BMBF-Förderschwerpunkts „Sozial-ökologische Forschung“. In: sozial-oekologische-forschung.org
- Nachhaltigkeit – Konsum ohne schlechtes Gewissen? In: ARD Mediathek, 12 Beiträge
Referenzen
- Veronika A. Andorfer: Ethical Consumption. In: Daniel Thomas Cook und J. Michael Ryan (Hrsg.): The Wiley Blackwell Encyclopedia of Consumption and Consumer Studies. 2. März 2015, S. 268–269.
- Ethical Consumption. In: Frederick F. Wherry und Juliet B. Schor (Hrsg.): The SAGE Encyclopedia of Economics and Society. 19. November 2015.
- E. Cooper-Martin und M. E. Holbrook: Ethical consumption experiences and ethical space. In: Advances in Consumer Research. Band 20, Nr. 1, 1993: „decision-making, purchases and other consumption experiences that are affected by the consumer’s ethical concerns“
- Ein Hoch auf die Flexitarier. In: Süddeutsche Zeitung, 10. Januar 2014
- Dieter Spath, Wilhelm Bauer, Stefan Rief (Hrsg.): Green Office: Ökonomische und ökologische Potenziale nachhaltiger Arbeits- und Bürogestaltung, Gabler Verlag, Wiesbaden 2012.
- Umweltministerium Baden-Württemberg (Hrsg.): Umweltorientierte Beschaffung von Gebrauchs- und Verbrauchsgütern für den Bürobereich. Stuttgart 2008 (PDF-Datei)
- Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) (Hrsg.): Allianz für eine nachhaltige Beschaffung. Berlin 2013 (PDF-Datei)
- Hessisches Ministerium der Finanzen (Hrsg.): Leitfäden zur Unterstützung der Beschaffer bei der nachhaltigen Beschaffung für die Produktgruppen Bürobedarf, Bürogeräte mit Druckfunktion, Büromöbel, Reinigungsleistungen, Textilprodukte, Computer und Monitore, Kraftfahrzeuge. Wiesbaden 2012
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Umweltbundesamt (Hrsg.): Leitfaden für die nachhaltige Organisation von Veranstaltungen, Berlin 2010, PDF-Datei
- Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) (Hrsg.): Nachhaltige Ernährung
- Echter Umweltschutz oder „Grünfärberei“?: Wie grün ist Ökostrom wirklich? (Memento vom 6. April 2014 im Internet Archive) Westdeutscher Rundfunk
Karl-Werner Brand: Von der Agrarwende zur Konsumwende? In: Ernährungs-Umschau 53 (2006) Heft 7
Posted in Friedensbewegung, Friedenspädagogik, Friedensstruktur, Wirtschaft