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Weg aus der Mobbingspirale

Erstellt am 04.09.2017 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 4894 mal gelesen und am 15.09.2017 zuletzt geändert.

Jetzt geht es bald wieder los, das Mobbing in der Schule und in den sozialen Medien …

„Wer Clara nicht mag steigt auf den Sessel“.
„Und wer die Clara richtig scheiße findet steigt auf den Tisch!“

Lautes Gelächter ertönt.

Anfang 2017 gab es einen interessanten Artikel von Ilka Wiegrefe und Mag (FH) Barbara Wick im Gewaltinfo-Newsletter zum

No Blame Approach in Österreich

Eine typische Mobbing Szene in einer Schulklasse

Der Blick in die Klasse zeigt 10 bis 12 jährige Buben und Mädchen, die sich um einen Tisch scharen und alle auf den Tisch steigen möchten. „Es ist ja eh nur ein Spiel!“ Lustig, kurzweilig und aufregend.

Für Clara (Name, von der Redaktion geändert) spürt es sich freilich miserabel an. Sie befindet sich ebenfalls im Raum und bekommt mit was da so vor sich geht. Andererseits mache sich ein Gefühl von Erleichterung breit. Denn es sei gut, wenn Clara dabei sein könne, „einen Platz in der Gruppe hat“. Außerdem findet Clara und einige andere sie sei ja auch selbst schuld, dass sie keiner mag.

Sieht man zu Clara hin, entsteht der Eindruck, dass sie das alles überhaupt nicht betrifft. So wie sie da sitzt und in ein Buch vertieft ist, „so tut als ob sie lesen würde“…

Eine Woche zuvor verhielt sie sich noch ganz anders. Um mit dabei sein zu können, versuchte Clara sich durch aggressives Verhalten einen Platz im Kreis der Spielenden zu verschaffen. Ein Versuch, der auf ganzer Linie daneben ging und die Sache weiter verschlimmerte: „Mit Clara kann man einfach nicht, die ist „abnormal“ und stört,“ empörten sich die SchülerInnen. Clara gilt mittlerweile als schwierig, aggressiv, „verhaltensauffällig“ und man hat den Eindruck, als ob es ihr gar nichts ausmachen würde, so alleine zu sitzen.

Clara’s Mutter kommt in der Zwischenzeit fast täglich zur Schule, um die Tochter abzuholen. Mehrmals wendet sie sich an die KlassenlehrerIn und berichtet über Claras Veränderung. Aus einem aufgeweckten Mädchen wurde ein trauriges Kind, das schlecht schläft, sich zurück zieht, nur mehr wenig erzählt und nicht mehr in die Schule gehen möchte.

Sie stellt Kinder, die von Clara als „Täter“ bezeichnet wurden, zur Rede und telefonierte bereits mehrmals mit Eltern von MitschülerInnen. Sie erfährt Ablehnung, denn wer hört schon gerne, dass das eigene Kind ein „Mobber“ ist? Die Mutter ist ratlos. Sie will Clara helfen und deckt das Kind ein mit gut gemeinten Ratschlägen wie, „lass dir nichts gefallen“, „wehr dich“, oder „tu so, als ob du es gar nicht merkst“…

Für den Rest der Klasse ein weiterer Grund auf Clara herumzuhacken. „Na, holt dich heute wieder deine Mami ab?“ Es ist wie verhext, jeder Versuch eine Veränderung zu bewirken führt genau zum Gegenteil.

Auch die Lehrerin möchte Claras Stand in der Klasse verbessern. Sie kennt ihre Verantwortung als Lehrerin. Sie weiß wie wichtig ein gutes Klassenklima ist. Mittlerweile führt sie fast täglich Gespräche mit der gesamten Klasse und auch Einzelgespräche mit den Beteiligten. Allerdings hat sie den Eindruck, dass es kaum Veränderungen gibt und kritisch betrachtet befindet sie sich selbst bereits in einem Dilemma. Einerseits tut ihr das Mädchen leid, sie spürt deren Hilflosigkeit, andererseits merkt sie, dass, sie das Verhalten des Kindes manchmal auch selbst als unpassend und störend empfindet.

„200.000 Kindern und Jugendliche an Österreichs Schulen“

So wie Clara gehe es mehr als 200.000 Kindern und Jugendlichen (von rund 1,1 Millionen) an Österreichs Schulen. Sie werden

  • über einen längeren Zeitraum hinweg
  • beleidigt, gedemütigt, körperlich attackiert.

Mobbing in der Schule nach Geschlechtern

  • 20% der Burschen und
  • 14% der Mädchen

zwischen 11 und 15 Jahren sind laut der OECD Studie von Mobbing 2015 betroffen.

Sie haben Angst.

  • Angst vor gut gemeinten Ratschlägen und
  • dem Einmischen der Eltern und LehrerInnen.
  • Angst vor Verschlimmerung.

Ratlose oder verharmlosende Verantwortliche

Neben Eltern und SchülerInnen seien auch LehrerInnen oftmals ratlos und verunsichert. Der Begriff „Mobbing“ sei ein Modewort geworden, seine Verwendung sei derzeit fast inflationär. Oder es passiere das Gegenteil und Mobbing werde verharmlost.

„Ach, das findet sich schon wieder, die streiten halt ein bisschen.“

Wie kommt es zu Mobbing?

Mobbing entsteht, laut den Expertinnen, durch die Dynamik in einer Gruppe und passiert im Verborgenen, weshalb es von Außenstehenden oft spät erkannt werde. Oft beginne es harmlos, tatsächlich fast als Spaß. Doch mit der Zeit werde es alles andere als Spaß. Es werde „Demütigung und Gewalt“.

  • Die oder der Betroffene leidet massiv.
  • Mobbing knabbert am Selbstvertrauen und an der Selbstachtung.
  • Das sogenannte „Opfer“ wird ängstlich, es zieht sich zurück oder reagiert scheinbar überzogen aggressiv.
  • Der oder die Betroffene zweifelt daran, überhaupt etwas wert zu sein.

Werde hier nicht möglichst rasch und kompetent eingegriffen, könne die Situation zu psychosomatischen Beschwerden bis hin zu Suizid führen.

Und auch die AkteurInnen, MitläuferInnen, Zuschauer und DulderInnen- inkl. Eltern und LehrerInnen entkommen dieser Gruppendynamik schwer. Richtig gut gehe es hier schon lange niemandem mehr. Es herrsche viel Angst, unheimlicher Druck und es sei sehr schwer nicht in das System hinein zu geraten oder eine einmal eingenommene Rolle zu verändern.

„Eine kleine Veränderung im Verhalten eines einzelnen Menschen
kann erhebliche Veränderungen und weitreichende Veränderungen
aller üblichen Beteiligten mit sich bringen.“
(Vgl. No Blame approach,…)

No Blame Approach (NBA) – Ansatz ohne Schuldzuweisung

Der sogenannte NBA ist eine Interventions-Methode bei akutem Mobbing unter Kindern und Jugendlichen.

Der No Blame Approach betrachtet die Lage aus systemischer Perspektive.

Er arbeitet mit der Gruppendynamik und bezieht zur Lösung Beteiligte aus allen Positionen der Gruppe

  • Akteure/Innen,
  • MitläuferInnen,
  • ZuschauerInnen,
  • DulderInnen und
  • den/die Betroffene

mit ein.

Die Vorgehensweise ist ziel- und ressourcenorientiert. Es wechselt der Blickwinkel

  • weg von der Schuldfrage und Geschehenem
  • hin zum Jetzt und der Zukunft.

Mit Unterstützung würden den Kindern und Jugendlichen ihre positiven Ressourcen wieder bewusst. So könnten sie diese zur Lösung des Problems einsetzen. Durch den Verzicht auf Täter-Opfer Stigmatisierung entstehe die Möglichkeit aus der destruktiven Gruppendynamik wieder eine konstruktiv handelnde Gruppe mit den positiven Kompetenzen der Beteiligten herzustellen. Wichtig sei dabei, die große Gruppe der ZuschauerInnen und DulderInnen zu mobilisieren, ohne die Mobbing nicht stattfinden könne. Die Kinder und Jugendlichen werden befähigt eigene Ideen zur Verbesserung der Situation zu entwickeln und diese auch umzusetzen, so dass der/die Betroffene wieder ohne Angst und Hänseleien in die Schule kommen kann.

Was Eltern tun können

Kontakt mit der Schule

Eine gute Zusammenarbeit von Eltern und Schule ist bei Mobbing von zentraler Bedeutung.

  • Suchen Sie das Gespräch mit der Lehrerin / dem Lehrer ihres Kindes,
  • Evtl. auch mit BetreuungslehrerInnen, SchulsozialarbeiterInnen, SchulpsychologInnen
  • Berichten Sie, wie es Ihrem Kind geht, wie Sie es erleben
  • Denken Sie daran, Schuldzuweisung führt oftmals zu Widerstand und Verschlimmerung
  • Geben Sie der Schule Zeit Maßnahmen zu setzen
  • Bleiben Sie mit der Schule in Kontakt, um sich auszutauschen und zu überprüfen, ob sich die Situation verbessert

Unterstützen Sie Ihr Kind – Ihr Kind braucht Sie jetzt!

  • Hören Sie Ihrem Kind zu – nehmen Sie es ernst – verharmlosen Sie nicht
  • versichern Sie immer wieder: „Hilfe holen ist kein Petzen!“
  • versichern Sie ihrem Kind, dass nichts „falsch“ an ihm ist
  • verstärken Sie aufbauende Familien- und Freizeit-Aktivitäten
  • führen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind ein Tagebuch über positive Erlebnisse
  • beteiligen Sie Ihr Kind an Ihrer Vorgehensweise – entscheiden Sie nicht einfach über den Kopf Ihres Kindes hinweg

Holen Sie sich gegebenenfalls Hilfe

  • bei Familien- und Schulpsychologischen Beratungen
  • in der Kinder- und Jugendanwaltschaft
  • bei Mobbingberatungsstellen

Was die Schule tun kann

Mobbing wirksam stoppen mit dem No Blame Approach
Mobbing unter Kindern und Jugendlichen findet vor allem in der Schule statt und kann daher am Besten mit pädagogischen Mitteln in der Schule gestoppt werden.

  • Eine klare und für alle sichtbare Haltung der Schule, die sich eindeutig gegen alle Formen von Gewalt ausspricht und entsprechend handelt, hilft!
  • Einheitliche Regeln und Sanktionen, die von der gesamten Schulgemeinschaft gemeinsam getragen und eingehalten werden bieten eine gute Orientierung für SchülerInnen, PädagogInnen und Eltern.
  • Trainings zur Erweiterung der Konfliktkompetenz für SchülerInnen und PädagogInnen, die Einführung konstruktiver Konfliktlösungsverfahren, die Durchführung von Programmen für ein gutes Miteinander wirken präventiv! Der No Blame Approach kann prinzipiell von jeder pädagogischen Fachkraft in jeder Schulform und Schulstufe durchgeführt werden.
  • Damit die Intervention wirklich kompetent und sicher angewandt wird, empfehlen wir das Training der Methode einer Fortbildung.
  • Nehmen Sie die Sorgen von Eltern auf jeden Fall ernst, seien Sie gesprächsbereit, interessiert und beobachten Sie die Situation in der Klasse möglichst neutral.
  • Holen Sie gegebenenfalls Hilfe. Mobbing muss auf jeden Fall gestoppt werden.

Die Initiative „Schulen lösen Mobbing“ wurde 2015 von „Team Präsent“ gegründet, um Mobbing unter Kindern und Jugendlichen möglichst rasch, kompetent und nachhaltig zu stoppen.

Wir bieten 1-Tages Trainings und Vorträge zu Mobbing und dem No Blame Approach für

  • DirektorInnen,
  • LehrerInnen,
  • Schul-PsychologInnen,
  • SozialarbeiterInnen,
  • SozialpädagogInnen.

Stoppen wir gemeinsam Mobbing.

Kontakt

Initiative „Schulen lösen Mobbing“
von Team Präsent – Institut für Gewaltprävention und Beziehungskultur
Ansprechpartnerin: Ilka Wiegrefe
Web:www.schulen-lösen-mobbing.at

Kooperationspartner in Salzburg
Friedensbüro Salzburg
Ansprechpartnerinnen: Martina Rumpl und Barbara Wick
Web: www.friedensbuero.at

  • Ilka Wiegrefe, Psycho-Soziale Beraterin von Team Präsent und
  • Mag (FH) Barbara Wick, Pädagogische Leitung im Friedensbüro Salzburg

 

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