Vor 100 Jahren schrieb Fried in sein Kriegstagebuch
„Bern, 30. Juni 1917
(Foto aus wikipedia & Links im Text: Von AHL hinzugefügt)
Die Erklärungen, die Graf Czernin durch den österreichischen Ministerpräsidenten am 27. Juni im österreichischen Abgeordnetenhaus abgeben ließ, liegen den demokratischen Ideen, denen man ja jetzt huldigen will, meilenfern. Danach lehnt es die österreichisch-ungarische Regierung ab, das Selbstbestimmungsrecht der Nationen als Grundlage der Friedensverhandlungen anzuerkennen, sie sieht diese Grundlage allein in dem durch die Verfassung dem Monarchen vorbehaltenen Recht, Frieden zu schließen.
Dass eine solche Erklärung zumindest ungeschickt war, sicher aber nicht im Interesse des monarchischen Prinzips lag, scheint man eingesehen zu haben. Unmittelbar nach dieser Erklärung in der offiziösen Presse erschienene Artikel, die dem Gesagten eine andere Auslegung gaben, beweisen das. Danach wollte man nur den verschiedenen Nationalitäten das Recht bestreiten, sich nach freiem Ermessen vom Staatenverband loszulösen, aber deren freie Entwicklung im Rahmen des Staats nach dem vom Präsidenten Wilson in seiner Botschaft vom 22. Januar aufgestellten Grundsätzen wohl anerkennen. Der schlechte Eindruck durch die Betonung des Monarchenrechts, über Krieg und Frieden selbst verfügen zu können, ist damit doch nicht verwischt. Es zeugt von geringem politischen Verständnis, auf solche Weise die Verantwortung für den Beginn und die Dauer einer so furchtbaren Katastrophe, wie sie der Krieg jetzt für ein Land ist, auf die Schulter eines einzelnen Menschen zu wälzen. Ärger als durch die Betonung dieses veralteten, zur Formel herabgedrückten Rechts, konnte man dem monarchischen Prinzip kaum mitspielen. Und die Sozialdemokraten haben sich eher als Wahrer und Schützer dieses Prinzips erwiesen, indem sie unmittelbar nach dieser Erklärung den Antrag einbrachten auf Streichung jener Bestimmungen in den Staatsgrundgesetzen, die dem Monarchen die Entscheidung über Krieg und Frieden Vorbehalten. Die Beseitigung dieser veralteten Bestimmungen ist die Grundbedingung jeder demokratischen Regierung.
Griechenland hat die diplomatischen Beziehungen mit den Zentralmächten abgebrochen. Das ist der Anfang zum Eintritt in den Krieg. Der Minister des Äußeren im Kabinett Venizelos ist Politis, früher Professor an der Sorbonne, einer der fortgeschrittensten Lehrer des modernen Völkerrechts. Er ist Associé des Institut de droit international, ein Schüler Renaults, über den er zu dessen 70. Geburtstag in der «Friedens-Warte» einen Aufsatz veröffentlichte.
In einem französischen Hafen ist das erste Kontingent amerikanischer Truppen angelangt.“
Quelle: www.kriegstagebuch.at
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