Leopold Engleitner 108 Jahre Kriegsverweigerer
„Nein statt Ja und Amen“
Leopold Engleitner
Am 21. April 2013 ist Leopold Engleitner als ältester Überlebender der Konzentrationslager Buchenwald und Niederhagen fast 108-jährig gestorben. Noch mit 99 Jahren stellte er – gemeinsam mit dem jungen Autor und Dokumentarfilmer Bernhard Rammerstorfer – das Buch und den Film über seine Kriegsjahre in Amerika vor, eine Reise, die ihn zu Holocaustgedenkstätten in Washington, New York und Los Angeles führte.
Auf ORF Ö1 ist die Sendung noch eine Woch im web zu hören.
Menschenbilder *Sonntag 21. Juli 2013 14:05
„Ungebrochener Wille“ – Leopold Engleitner, Kriegsverweigerer.
Autor: Heinz Janisch
„Unbroken will“ – unter diesem Titel erschien die Lebensgeschichte des 1905 geborenen Lepold Engleitner in Amerika. Auch ein Film über sein Leben trägt diesen Titel. „100 Jahre ungebrochener Wille“ heißen Buch und Film in der deutschen Ausgabe, und als Untertitel ist zu lesen:
„Nein statt Ja und Amen“.
Leopold Engleitner
Nein statt ja und Amen
Seine Weigerung, als Soldat in den Krieg zu ziehen und sein mutiges „Nein zum Kriegsdienst brachte den in Aigen-Voglhub in der Gemeinde Strobl geborenen Leopold Engleitner in drei Konzentrationslager, in denen vergeblich versucht wurde, seinen Willen zu brechen. Er war der älteste Überlebende der KZs Buchenwald und Niederhagen und einer der ältesten Überlebenden des KZs Ravensbrück.
„Ich habe mich immer bemüht, gerechte Grundsätze anzuwenden und die Rechte des anderen zu wahren. Deshalb hat mich niemand zwingen können, eine Waffe gegen einen Mitmenschen zu richten.“ (Leopold Engleitner).
„Ich war anderer Meinung“
120 Jahre und eine Woche müsse er alt werden, sagte Leopold Engleitner einst, das habe ihm zumindest ein Rabbi in Amerika als Wunsch mitgegeben, erzählte er seinem Biografen Bernhard Rammerstorfer. Am 23. Juli 2005 feierte er seinen 100. Geburtstag – 62 Jahre nach seiner Entlassung aus dem KZ in Niederhagen, seiner letzten Station eines Leidensweges, der seinesgleichen sucht.
„Nein statt ja und Amen“ – heißt das Buch über sein Leben im Untertitel. Ein „Nein“, das damals, vor den Richtern des NS-Regimes auch seinen Tod bedeuten hätte können: „Ich wollte ihnen nur zeigen, dass man auch eine andere Meinung haben kann. Ich wollte zeigen, dass ich auch meine Meinung habe. Mit Recht!“
Unbroken will
Unter diesem Titel erschien in Amerika die Lebensgeschichte des ehemaligen Bauernknechtes. Auch ein Film über sein Leben trägt diesen Titel. „100 Jahre ungebrochener Wille“ heißen Buch und Film in der deutschen Ausgabe. Trotz dieses unbändigen Willens überlebte der ehemalige Kriegsdienstverweigerer aber im Gegensatz zu vielen anderen nicht weniger als drei Konzentrationslager, in denen man versuchte, ihn durch Folterungen und Demütigungen gefügig zu machen.
Steh gerade! Schau auf deine Haltung!
Diese Aufforderungen hörte der junge Leopold von frühester Kindheit an, weil er seit seiner Geburt an einer Wirbelsäulenverkrümmung litt. Die Eltern wollten die gebückte Haltung ihres Kindes nicht akzeptieren. Jahre später sollte Leopold Engleitner mehr Haltung bewahren als viele andere.
Schon in der Volksschule in Pfandl bei Bad Ischl vom Turnunterricht ausgeschlossen, machte damals auch Kaiser Franz Joseph, der ja in Ischl residierte, mit seiner ordensgeschmückten Uniform wenig Eindruck auf den neunjährigen Buben. Er konnte sich nie für Uniformen und fürs Militär begeistern. Einen äußerst negativen Eindruck hinterließ bei ihm zu Beginn des Ersten Weltkriegs auch, dass man es zuließ, „sogar die heiligen Glocken von den Kirchen zu nehmen, um daraus Gewehrkugeln zu gießen“.
Du sollst nicht töten!
In ärmlichen Familienverhältnissen aufgewachsen, arbeitete Leopold Engleitner bei verschiedenen Bauern als Knecht, später als Hilfsarbeiter bei einer Baumeisterei, bei der Gemeinde St. Wolfgang und bei einer Papier- und Kartonfabrik. In Weinbach bei Bad Ischl baute er dann ein Haus, in dem er bis zuletzt noch lebte. Aus der Kirche trat er noch vor dem Zweiten Weltkrieg aus und wechselte zu den „Zeugen Jehovas“.
Wegen seiner religiösen Überzeugung wurde er mehrmals verhaftet. Als die Nazis einmarschierten, wurde er durch die Gestapo mehrmals verhört und schließlich am 4. April 1939 festgenommen und nach Linz überstellt. Dort versuchte man den Kriegsdienstverweigerer, der den Dienst mit der Waffe strikt ablehnte, einzuschüchtern. Engleitner verwies immer wieder auf das biblische Gebot „Du sollst nicht töten“. Schließlich wurde er am 5. Oktober 1939 in „Schutzhaft“ genommen und vier Tage später ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht.
46 Monate schwerste Zwangsarbeit
In Buchenwald kam er zur „Strafkompanie“ in den Steinbruch, wo oft ohne Werkzeug die Steine gebrochen und bearbeitet wurden. Im darauf folgenden Winter war die Kälte so schlimm, das Leopold Engleitner starke Erfrierungen an beiden Ohren erlitt. Man riet ihm, seine Ohren nicht mehr zu berühren, weil sie sonst abbrechen könnten.
Am 7. März 1941 wurde er mit anderen Häftlingen in Viehwaggons in das Konzentrationslager Niederhagen in der Nähe von Paderborn gebracht. Ende September 1942 durfte er für einen Bauern auf dem Feld arbeiten. Bei diesem „Erntekommando“ wurde ihm sogar die Freiheit in Aussicht gestellt, wenn er seine Aussagen widerrief. Leopold Engleitner lehnte ab.
Als im April 1943 das Konzentrationslager Niederhagen aufgelöst wurde, kam er schließlich nach Ravensbrück, in dem besonders schlimme Zustände herrschten. Als er am 15. Juni 1943 aus diesem Lager entlassen wurde, war seine Haut von Läusen zerfressen und der ganze Körper mit Geschwüren übersät. Nach 46 Monaten schwerster Zwangsarbeit und Unterernäherung wog er bei der Entlassung 28 Kilogramm.
Ohne Hass und Verbitterung
Wenige Monate nach seiner Heimkehr erhiellt Leopold Engleitner trotz eines positiven Arztbefundes wegen seiner verkrümmten Wirbelsäule den Bescheid: „Kriegsverwendung Front. Truppenersatzreserve Nr. 1“. Das Kriegsende erlebte er daher in einem Versteck auf einer Almhütte. Nach dem Krieg arbeitete er zunächst in der Landwirtschaft, dann als Nachtwächter in einer Seifenfabrik und schließlich bis zu seiner Pensionierung bei der Straßenmeisterei in Bad Ischl.
Seit dem Tod seiner Frau im Jahre 1981 lebte er allein. Trotz seines erlittenen Schicksals war er aber nicht verbittert: „Ich habe keinen Hass auf andere. Ich bin für meine Überzeugung eingetreten“, sagte er, „ich konnte mir ein reines Gewissen bewahren, und das erfüllt mich mit Freude“.
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