Weltberühmter katholischer Pazifist DDDDr. Johannes Ude 1874-1965
Wegen seines lebenslangen Einsatzes für den Frieden war Ude mehrmals für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Er geriet aber mit Nazis und katholischer Kirche immer wieder in massive Konflikte. Der norddeutsche Pazifist Gerhard Schröder wandte sich an die Redaktion, da er Literatur von Ude sucht. Zweckdienliche Hinweise bitte an die Readaktion von friedensnews.at senden.
Kurzbiografie
Geburt und Schulzeit
DDDDr. Johannes Ude wurde 1874 in St. Kanzian am Klopeinersee geboren. Er war das zweite von zehn Kindern eines Volksschullehrers, der später nach St. Margarethen (Noreia) zog. Wegen seiner besonderen Begabung durfte er von der einklassigen Volksschule weg die drei Klassen des Privat-Gymnasiums des Benediktinerstiftes St. Lambrecht in der Steiermark besuchen. Er vollendete seine Gymnasialstudien als Zögling des fürstbischöflichen Knabenseminars in Graz am Lichtenfels-Gymnasium.
Doktoratsstudien in Rom – Philosophie und Theologie
Nach Abschluß der Schule studierte er in Rom an der gregorianischen Universität Philosophie und Theologie, wurde im Jahre 1900 zum Priester
geweiht und kehrte als zweifacher Doktor nach Graz zurück. Ude wirkte ein Jahr als Kaplan in Fernitz, wurde 1901 Studienpräfekt im fürstbischöflichen
Knabenseminar Graz, wo er neben seiner erzieherischen Tätigkeit den Auftrag erhielt, Naturwissenschaften zu studieren.
Habilitation als Privatdozent für spekulative Dogmatik
Während dieses Studiums habilitierte er sich im Jahr 1905 an der Karl-Franzens-Universität Graz als Privatdozent für spekulative Dogmatik und promovierte kurz darauf zum Doktor der Naturwissenschaft im Hauptfach Zoologie und Nebenfach Botanik. 1910 wurde er ao. und 1917 o. Professor ad personam für
Dogmatik und Philosophie in Graz.
Doktorate in Jus und Nationalökonomie
Daneben studierte er Jus und Nationalökonomie, worin er sich den vierten Doktortitel erwarb, sowie Medizin und Kunstgeschichte.
Seine Kenntnisse setzte er nicht nur an der Universität ein, sondern war auch politisch (er kandidierte 1951 zum Bundespräsidenten), sozial
und volksbildnerisch tätig. Er wurde durch sein Engagement in der Armenfürsorge zum radikalen Antialkoholiker und Nichtraucher, war
aus religiösen Motiven Vegetarier und wurde aus Überzeugung christlicher Nächstenliebe zum absoluten Kriegsgegner und gewaltlosen
Friedensarbeiter.
Tätigkeit als Publizist und Volksbildner – Redeverbot – gauverwiesen
Ude nahm in vielen Schriften und Broschüren Stellung zu
- aktuellen Themen der Tagespolitik,
- verfaßte Bücher und hielt Tausende von Vorträgen,
- Reden und Predigten im In- und Ausland.
Wegen zu radikal formulierter Thesen erhielt er kirchliches Redeverbot, gelangte 1939 nach anfänglich pro-nazistischer Einstellung in Gegensatz zur
NSDAP und wurde wegen seines öffentlichen Protestes gegen die Judenverfolgungen („Reichskristallnacht„) gauverwiesen.
Als ehrenamtlicher Seelsorger in Grundlsee
In Gundlsee wirkend kam Ude zweimal in Gestapohaft und wurde schließlich wegen
- Wehrkraftzersetzung und
- Feindbegünstigung inhaftiert.
1945
wurde der 72-Jährige von den Aliierten befreit und wirkte weiter bis zu seinem Tod im Jahr 1965 als Vortragsreisender und Seelsorger in
Grundlsee in der Steiermark.
Die pazifistischen Positionen des österreichischen Theologen
Udes Überlegungen stehen imZusammenhang eines radikal christozentrischen Leitbilds, bedingt durch
- die Erfahrungen der verheerenden
Auswirkungen des NS-Systems und - des Zweiten Weltkriegs.
Diese Erfahrungen wurden in seinem öffentlichen Wirken schließlich vorrangig.
Ude wendet sich gegen
- jegliches Töten – über die Auseinandersetzung mit Krieg und Frieden hinaus und lehnt daher
- Todesstrafe,
- Euthanasie und Abtreibung ebenso ab wie
- das Schlachten oder
- die medizinischen Tierversuche.
Udes pazifistische Haltung
Sie wurzelt in den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs, als er neben seinem umfangreichen sozialkaritativen
Engagement tätig wurde. Im Rahmen des Vinzenzvereins übernahm er beispielsweise die Betreuung von Verwundetentransporten.
1917
begann der damalige Grazer Universitsätsprofessor für Dogmatik und Philosophie in der Mariahilferkirche für den Frieden zu predigen.
1918 forderte Johannes Ude in seiner spektakulären Schrift Kanonen oder Christentum?
einen Verständigungsfrieden, und rechnete in seiner Broschüre Volk in Not! mit
- Nationalismus,
- Chauvinismus und
- Militarismus ab.
Der Priester bezog sich dabei auf eine mentale christliche Revolution‘, die auf Agape beruhende Liebesethik des Neuen
Testaments und in diesem Zusammenhang vor allem auf die Bergpredigt sowie auf die eschatologische Dimension des Paulinischen und frühen
Christentums. Dieses Friedensleitbild steht in Verbindung mit der Forderung nach einem einfachen und ,naturgemäßen‘
Leben.
Ab 1920 entwickelte Ude auf sozialen Ausgleich bezogene Wirtschaftskonzepte gegen Diktatur, Militarismus und Rassismus. Udes Positionen gewannen in einer Periode sich radikalisierender politisch-militärischer Bestrebungen in Europa an Bedeutung. In seiner Autobiografie schienen ihm ddie diktatorischen und sogenannten „autoritären Bestrebungen“ „nicht das Zeichen des Aufstieges einer neuen,
besseren Zeit, sondern sie bedeuten das Ende der bisherigen bankrotten Politik.“
Öffentliche Kritik am Ständestaat
Ude kritisierte öffentlich:
- terroristische Züge des Ständestaats,
- die zivile Aufrüstung und
- die Hinrichtung
von Sozialdemokraten
Er setze sich aber auch kritisch mit internationalen Aggressionen auseinander. Ude protestierte in einem Offenen Brief an Mussolini gegen den bevorstehenden
Einfall in Abessinien (Äthopien) und ließ den Text am 23. August 1935 vom Schweizer Wiler Boten und in Flugblättern verbreiten. Danach wurde er an der Universität „beurlaubt“.
Kehrtwende nach sehr gebrochen Sympathien mit dem Dritten Reich
Nach den ersten Erfahrungen mit der NS-Herrschaft machten Udes zeitweilige, sehr gebrochene Sympathien mit
dem „Dritten Reich“ einem konsequenten Antinazismus Platz.
1938, einen Tag nach der Reichskristallnacht vom 9. zum 10. November
protestierte er in einem an den Gauleiter Sigfried Uiberreither gerichteten und in einer französischen Exilzeitschrift
publizierten Offenen Brief gegen die antisemitischen Pogrome.
Als Seelsorger in der zur Dekanatspfarre Bad Aussee gehörigen Filiale Grundlsee, wohin Ude verbannt worden war, wandte
er sich u.a. gegen das Erziehungssystem des NS-Staates. Ude wurde deswegen bereits am 3. September 1939 zum ersten Mal verhaftet.
Sein illegal verbreitetes Memorandum Über den Weg zum allgemeinen Frieden mit pazifistischem Inhalt führte am 1. August 1944
- zur erneuten Inhaftierung
und Folter in Linz und Wels sowie
- zur Anklage wegen Wehrkraftzersetzung
und Feindbegünstigung
Die Anklage hätte ihn wohl aufs Schafott geführt, wenn ihm die Befreiung im April 1945 nicht die Freiheit geschenkt hätte.
Mit der Friedensbewegung der Zweiten Republik Österreich
Von seinem Grazer Lehrstuhl weiterhin verbannt, vertrieb der Theologe seine pazifistischen Broschüren im Eigenverlag oder im Salzburger Friedensverlag seines langjährigen Vertrauten Ferdinand Wessiak.
International arbeitete Ude im Rahmen
- der Internationale der Kriegsdienstgegner
und
- der Union deutscher Friedensverbände (UDF), zu deren Präsident er 1960 ernannt wurde.
Ein politischer Durchbruch blieb aus
- Die geplante Konstituierung einer Österreichischen Friedenspartei scheiterte.
- Ab 1947 lancierte Versuche, Ude für den Friedensnobelpreis zu nominieren, blieben erfolglos.
- Seine Kandidatur zur Bundespräsidentenwahl 1951 brachte nur wenige Stimmen.
1963 wandte sich Ude in seiner letzten Friedensschrift Mörder unter uns! gegen die Wiederbewaffnung Österreichs. Ude verbindet die Ablehnung der Rüstungstechnologie mit einer radikalen Kritik an der „Atomwissenschaft“. Diese ökologische Perspektive wird durch eine merkliche Technik-
und Fortschrittsskepsis getragen, die sich vo einem technokratischen „Luzifergeist“ absetzt. Ude interpretierte Bibeltexte des Alten und Neuen Testaments
im vegetarischen Sinn und stützte sich auf den Asketismus des frühen Christentums, nach seiner Ansicht entspricht der Vegetarismus „dem großen Gebot der Liebe“, während er den Fleischgenuß als Ergebnis einer egoistischen Disposition, von „Genußsucht“ und „Genußethik“ kennzeichnete. Das Alterswerk
Das Tier als Teil der Schöpfung (1961), das einen „ewigen Frieden zwischen Mensch und Tier“ fordert, erscheint als avantgardistischer Beleg der später oft apostrophierten christlichen Position der Mitgeschöpflichkeit. Zu verweisen ist ferner auf Initiativen gegen Tierversuche, auf die Kritik an Tierquälerei und Schlachten und auf Projekte des Artenschutzes.
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