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Schöpfungsgöttin Euronyme im Zank mit ihrem Geschöpf Ophion

Erstellt am 28.12.2010 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 6380 mal gelesen und am 11.01.2011 zuletzt geändert.

Die griechische Schöpfungsgeschichte kennt mindestens drei heute bekannte Hauptversionen. In der vermutlich ältesten erschafft die Göttin Euronyme die Welt. Euronyme sollte nicht mit Euronome verwechselt werden. „Das endlose All bestand seit ewigen Zeiten. Daraus ging der Kosmos hervor, die mit Anstand und Vernunft geordnete Welt.“ Davor herrschte das Chaos, der leere, klaffende Raum. Wie die Materie in die Leere hinein gebracht wurde ist bis heute strittig. Auch die Griechen hatten mehrere Ideen dazu. Der Mythos von der Urgöttin Euronyme, deren Name so viel wie „Weitwandern“ bedeutet, lässt sich wie folgt skizzieren.

Die Göttin aller Dinge erhob sich tanzend aus dem Chaos. „Zuallererst schuf sie eine Grundordnung und schied das Meer vom Himmel. Auf den gerade entstandenen Wellen tanzte sie in Richtung Süden. Zwischen den beiden elementaren Zuständen von Meer und Himmel kam der Wind auf. Das war keine Zufall.“ Denn die Unterscheidung zweier Elemente brauche immer ein Drittes. In diesem Fall wurde Erde und Himmel geschieden und es entstand in der Folge der Wind. Philosophierende kennen dieses Dritte unter dem lateinischen Namen als „Tertium comparationis“. Der Wind war das bis dahin einige bewegte und zugleich belebte Element. Zusammen mit ihm brachte die Götting das Leben hervor. „Von Norden her fogte der Wind Eronyme. Er blieb nicht lange unbemerkt. Die Göttin drehte sich nach im um, ergriff ihn, hielt ihn umklammert und rieb ihn zwischen ihren Fingern. In ihren Händen entstand Ophion die große Schlange.“

Die Große Schlange war das erste Lebewesen, das aus der Verbindung zweier Partner hervorging. Dieser Mythos passt recht gut zu den Entdeckungen der modernen Evolutionsbiologie. Schlangen als Reptilien entstanden an Land tatsächlich vor Vögeln und Säugetieren. „Sogar die weitere Entwicklung hin zur Welt, wie sie heute bekannt ist, stimmt in sehr groben Zügen mit der Evolutionslehre überein. Denn jetzt wurde ein Ei gelegt.“ …

„Euronyme tanzte auf den Wellen des Meeres und wies die Große Schlange an, sich um ihre göttlichen Glieder zu winden. Davon wurde die Göttin schwanger. Sie gab sich die Gestalt einer Taube und legte ein Ei inmitten der Wellen. Die große Schlange Ophion musste sich sieben mal um das Ei winden und es ausbrüten. Als das Ei auf sprang, kam die Welt heraus: der Mond, die Sonne, die Planeten, die Sterne, und vor allem: die Erde eingebettet in all ihrer Pracht. Sie lag im Mittelpunkt und war umgeben von dem Wasser, auf dem Euronyme getanzt hatte. Die Erde blieb, wo sie war, alle anderen Teile, Planeten und Sterne befestigte die Göttin am Himmel.“…

„Euronyme vollendete ihr Werk und erschuf die sieben Titaninnen und Titanen. Jedem Paar wies sie einen Planeten zu.“

Auf der Erde bezog die Göttin mit der Schlange Ophion den Olymp. Als Ophion beiläufig erwähnte, er sei der Schöpfer der Welt, war die Göttin erbost und wurde gewalttätig. Sie trat ihn auf den Kopf und schlug Ophion die Zähne aus. Dann verbannte sie ihn unter die Erdoberfläche. Seitdem würden sich – im Mittelmeergebiet – die Schlangen unter der Erde verstecken. Wenn sie hervorkommen – wie vor Erdbeben – brächten die Schlangen Unheil.

Dieser Mythos schildert sehr schön den Ideologischen Konflikt im Übergang von den Urmutter-zentrierten Weltanschauungen zu den Urvaterreligionen. Wobei es heute Grund zur Annahme gibt, dass in den Urmutterkulturen die biologische Rolle der Männer bei der Zeugung nicht wirklich bekannt war. Es wurde von Männern und Frauen in diesen Kulturen angenommen, die Kinder bringt der Wind oder der Regen. Geschlechtsverkehr war mit Lust verbunden, aber nicht mit der Elternschaft. Die Landwirtschaft erforderte genauere Naturbeobachtung, Kalender, Aufzeichnungen und Berechnungen. Als nun die Rolle der Männer klar wurde, gab es Konflikte zwischen den Geschlechtern. Die Frauen stiegen den Männern auf den Kopf, schlugen ihnen die Zähne aus. Im eher friedlichen minoischen Kreta wurde vor einem Erdbeben ein junger Mann auf dem Juchtas geopfert – von einer Priesterin und einem älteren Mann. Seit der Entstehung der Kalenderkulturen begann der Aufstieg der gewaltsame Aufstieg der Patriarchen und die Unterdrückung der Frauen. Erst die Wissenschaft im 19. Jahrhundert förderte genügend Fakten zu Tage, die den Unfug in Religion und Wissenschaft in Geschlechterfragen ins Wanken bringen. Es bleibt abzuwarten, wie lange es braucht, bis nach dem Matriarchat das Patriarchat purzelt und einem vernünftigeren, friedlicheren, gleichberechtigteren Leben in Vielfalt und Partnerschaft Platz gemacht wird.

 

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