Knaben und Gewaltrituale in Italien, Somalia …
Judit Erharter
Die Gewalt der Fanciulli
Gewaltrituale von Jugendlichen in der Renaissance
Philologisch-Kulturwissenschaftliche Dissertation an der Universittät Wien, September 2006
Kurze Zusammenfassung des Inhalts
Florenz im 15. Jahrhundert, die Erziehung der Buben ist von einer heute in Österreich kaum vorstellbaren Gewalt gekennzeichnet. „Den glänzenden Festen eines Lorenzo des Prächtigen, insbesondere im Karneval,
gesellen sich auf den Straßen Bräuche und Rituale ganz anderer Art hinzu:
- Steinschlachten, bei denen unter reger Anteilnahme einer zuschauenden Bevölkerung die sieben- bis achtzehnjährigen Knaben, die Fanciulli, sich gegenseitig verletzen und töten,
- Hinrichtungen, bei denen danach der Leichnam von den Knaben beschimpt, misshandelt und durch die Stadt geschleift wird
- Scheiterhaufen um die von den Knaben mit Fäusten, Waffen und Steinen gekämpft wird mit häufigen Verletzungen und Toten.
Rezension
Der Untertitel der hervorragend recherchierten und gut lesbar geschrieben Dissertation ist bislang der schmerzlichste Schnitzer den die Dissertation meiner Schwägerin in meinen gendersensitiven Ganglien hinterließ. Das er der den männlichen Begutachtern der von ihnen ausgezeichneten Disseration durch die Patriarchenbrille rutschte macht doppelt besorgt.
Die Fanciulli, sie sind keine Jugendlichen – Mädchen und Buben, sondern auf Seite 42 erfahren wir dann präzise endlich:
„Die Bezeichnung „Fanciulli“… umfasst im Toskanischen des 15. Jahrhunderts daher jene Gruppe von Knaben, die bereits eine Erziehung außer Haus genießen, aber nocht rechtsfähig sind, also die etwa Siebenjährigen bis Achtzehnjährigen“.
Abgesehen vom
- prinzipiell wenig geschlechtssensiblen Gebrauch der Sprache und unter dem möglichen Informationsgehalt bleibenden Überschriften ist das Werk
- eine wahre Fundgrube für alle die sich mit der Gewalt von Buben und Burschen und ihrer gesellschaftlichen Einbettung auseinander setzen.
- Die „Kultur der Renaisance“ wird für schlichte Gemüter gründlich entzaubert. Botticelli, Donatello und Machiavelli der mit seinen Werken noch heute die inoffizielle zynische, brutale und primitive Ideologie vieler Männer und Frauen des Establishments liefert wird in ihren Quellen bloßgelegt
Die Dissertation soll bald erscheinen. Hoffentlich gibt ihr ein gestrenger Lektor oder eine Lektorin – mit geschlechtssensiblerer Sprache … – noch den Schliff, den dieser Rohdiamant verdient.
Lösungsorientierte Literatur zum Thema
Gerald Hüther, Cornelia Nitsch: Wie aus Kindern glückliche Menschen werden, 2008
Manfred Spitzer, Vorsicht Bildschirm, 2006
Links zum Thema
Bedeutung von Friedenserziehung für die Überwindung von Gewalt
Rötzer: Triumph der Grausamkeit – www.heise.de/tp/r4/artikel/17/17095/1.html (23.9.2009)
www.washingtonpost.com/wp-dyn/photo/world/G38422-2004Mar31.html (23.9.2009)
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