EU-Parlamentsmehrheit fordert verschärfte Aufrüstung
Eine große Mehrheit der EU-Parlamentarier will
eine stehende EU-Armee für globale Kriegseinsätze und
fordert die Militarisierung des Weltraums.
Ein Eurofighter: Ein Beispiel von vielen
SPÖ-Abgeordnete im EU-Parlament „unterstützen nachdrücklich das Eurofighter-Programm“ und fordern andere EU-Mitgliedstaaten auf, das Eurofighterprogramm „zu fördern und zu unterstützen.“
Am 19. Februar verabschiedete das Europäische Parlament mit großer Mehrheit einen Bericht, der einen weiteren Schritt in Richtung einer europäischen Militärunion darstellt und besonders vor dem Hintergrund der neuen Präsidentschaft in den USA in jeder Hinsicht grundlegend bedenklich ist (1).
Der Bericht unter Federführung von Karl von Wogau, CDU-Abgeordneter und prominenter Rüstungslobbyist, setzt sich massiv für den Ausbau der EU-Truppen ein. Es wird gefordert,
- „dass die Europäische Union ihre Fähigkeiten auf der Grundlage der zivilen und militärischen Planziele weiter ausbauen sollte;
- stellt fest, dass sie bestrebt sein sollte, eine Streitmacht von 60 000 Soldaten zur ständigen Verfügung zu haben;
- bekräftigt seinen Vorschlag, dass das Eurokorps den Kern dieser Streitkräfte bilden sollte, nötigenfalls verstärkt durch zusätzliche See- und Luftkapazitäten.“ (Absatz 45)
Der Bericht benennt, was es mit dieser Truppe zu tun gilt:
… „dass die Europäische Union ihre strategische Autonomie durch eine starke und wirksame Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik entwickeln muss, um […] ihre Interessen in der Welt zu vertreten.“ (Absatz 1)
Diese „Interessen“ wurden anschließend präzisiert, unter anderem mit
- der „Sicherheit der Energieversorgung und der Seewege,
- dem Schutz ihrer Weltraumressourcen“ (Absatz 19)
EU-Rüstungslobby bricht ein Tabu und forciert die Militarisierung des Weltraums
Auch der politische Wille zur Militarisierung des Weltraums, durchzieht dieses Dokument. Der Report erachtet es „als notwendig, die Nutzung von Galileo (Satellitennavigationssystem) und GMES (satellitengestütztes Erderkundungssystem) für Sicherheits und Verteidigungszwecke zu ermöglichen.“ (Absatz 50)
Das ist budgetär bemerkenswert, denn das EU-Satellitenprojekt Galileo wird bislang aus dem EU-Haushalt unter anderem aus dem Transporthaushalt bezahlt. Nach dem weiterhin gültigen Vertrag von Nizza verbietet sich jedoch eine militärische Nutzung von Geldern des EU-Haushaltes. Die Legitimität dieser Forderung ist sehr fraglich. Die Ignorierung oder Verbiegung jeglicher rechtsstaatlicher Grundsätze hat zwar bereits mit dem Eiertanz rund um den gescheiterten EU-Reformvertrag begonnen. Es wird aber Bezug genommen auf diesen seitens der Friedensbewegung scharf kritisierten Vertrag, der erstmals einen eigenen EU-Rüstungshaushalt vorsähe.
SPÖ-Parlamentarier für Eurofighter-Programm
Besonders angetan hat es nun für viele BürgerInnen überraschend den EU-Parlamentariern das bislang größte EU-Rüstungsprogramm, die Eurofighter. Diese erstaunliche Wende der Sozialdemokraten, die in Österreich zumindest einmal in der Hoffnung zahlreicher WählerInnen gewählt wurden, dass die neute Regierung aus dem abgelehnten Eurofighter-Deal der Schwarz-Blauen-Orangen-Vorgänger-Regierung aussteigt. Anscheinend hat der praktisch ergebnislose Eurofighter-Untersuchungsausschuss neue Provisionen in Fluss gebracht, welche die pragmatische Elastizität der letzten theoretisch handlungsmächtigen Bollwerke des Friedens und der Abrüstung endlich und mit berechtigter Hoffnung auf völlige Diskretion vollkommen zu Trojanern werden lassen.
Das EU-Parlament
- „unterstützt nachdrücklich erfolgreiche europäische Programme wie den Eurofighter, das Kampfflugzeug, das in den kommenden Jahrzehnten das Kernstück der Einsatzfähigkeit von fünf europäischen Luftwaffen darstellen wird;
- vertritt in diesem Sinne die Ansicht, dass die Mitgliedstaaten solche Initiativen fördern und unterstützen sollten.“
Dieser Antrag wurde mit großer Mehrheit beschlossen, darunter auch von allen SPÖ-Abgeordneten.
SPÖ-Verteidigungsminister Darabos rettete aus Sicht der kritischen Friedensbewegung im Jahr 2007 für Eurofighter-Produzenten EADS den Eurofighter-Vertrag, obwohl
- die Bestechungsvorwürfe überwältigend und
- ein Ausstieg aufgrund der Sittenwidrigkeit der skandalösen Schmiergeldklausel – zugunsten von EADS – aus dem Vertrag rechtlich wohl möglich gewesen wäre
Siehe dazu ausführlich das Dossier der Online-Presse zum Eurofighter-Ausschuss gerade die Österreichischen Medien wurden mit PR und Inseraten von EADS bombardiert und haben ebenfalls bemerkenswert lau über diesen Ausschuss berichtet.
„Friedensprojekt Europa“?
Es ist nun zu befürchten, das die SPÖ im bevorstehenden EP-Wahlkampf wahrscheinlich wieder vom „Friedensprojekt Europa“ und seinen Vorzügen schwärmen wird. Unterdessen stimmten die SP-Abgeordneten im EU-Parlament für mehr als bedenkliche Aufrüstung und die Stärkung der Rüstungsindustrie.
Nur der stellvertretende Landeshauptmann und SPÖ-Chef von Oberösterreich, Erich Haider, hat diese Doppelbödigkeit der österreichischen Politik offen kritisiert:
„Man sagt, Europa ist das größte Friedensprojekt, aber gemeint ist, Europa ist der größte gemeinsame Markt. Der Markt wird mit Frieden umschrieben. In Richtung Friedenspolitik passiert überhaupt nichts, im Gegenteil. Die einzelnen EU-Staaten geben mehr Geld für Rüstung aus. Es wird ein Satellitensystem aufgebaut, von dem alle sagen, es ist für den Verkehr. In Wahrheit wissen alle, dass es ein militärisches System ist. In Wahrheit werden in der ‘Friedens’-EU nur die Rüstungsausgaben gesteigert.”
(in: Trotzdem, Juli 2008)
Anmerkung:
(1) Entschließung des Europäischen Parlaments vom 19. Februar 2009 zu der Europäischen Sicherheitsstrategie und die ESVP (2008/2202 (INI))
Hintergrundinformationen zur Militarisierung der EU – Zusammengestellt von der Werkstatt für Frieden und Solidarität:
Werkstatt-Broschüre:
„EU-Reformvertrag = Europa der Konzerne und Generäle“
– Analysen und Strategien aus Sicht von Friedensbewegung und Neoliberalismuskritik
(mit kommentierten Originaltexten aus den EU-Verträgen),
40 Seiten; EUR 3,- (ab 5 Expl.: a ´EUR 2,50)
Buch:
Auf dem Weg zur Supermacht – Die Militarisierung der Europäischen Union, von Gerald Oberansmayr, 144 Seiten, Promedia-Verlag (2005), EUR 9,90
Direkte Bestellungmöglichkeit für beide Druckwerke: office(@)werkstatt.or.at
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