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Friedensarbeit im Kindergarten

Erstellt am 01.10.2008 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 4292 mal gelesen und am 07.06.2010 zuletzt geändert.

Das Kuratorium für Verkehrsicherheit (KfV) betitelte eine Presseaussendung mit “Gewaltprävention fängt im Kindergarten an” und meldete in diesem Zusammenhang:

“Rund 2.600 Kinder und Jugendliche wurden 2007 Opfer von Gewalt.
KfV und FGÖ setzen mit einem Pilotprojekt zur Gewaltprävention bereits im Kleinkindalter an”.

Laut der vor geraumer Zeit heftig diskutierten Kriminalitätsstatistik des Innenministeriums:

1. werden jährlich etwa 6.000 Fälle von Körperverletzung und Raufhandel, an denen Kinder und Jugendliche aktiv beteiligt sind, angezeigt.
2. 2007 wurden rund 2.600 Zehn- bis 17-Jährige als Opfer von Gewalt so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten
Diese Zahlen registrierte das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) in der aktuellen Freizeitunfallstatistik.

Dr. Rupert Kisser, Bereichsleiter Heim, Freizeit & Sport im KfV warnt:

„Viele Kinder und Jugendliche kennen keine anderen Mittel als Zuschlagen oder Sachbeschädigungen, um auf eine Auseinandersetzung zu reagieren. Sie haben nie gelernt, Konflikte verbal zu lösen und mit Aggressionen umzugehen“
Lernziel Konfliktlösung mit friedlichen Mitteln
Lernen diese Kinder gewaltfreies Konfliktlösen nicht, neigen sie auch im Jugend- und Erwachsenenalter zu Gewalt. Gewaltprävention müsse daher schon in frühen Lebensjahren beginnen.

Konflikte gewaltfrei lösen – von klein auf

Raufereien unter Kindern sind – soweit es um das mehr oder weniger sportliche Messen der Kräfte geht – bis zu einem gewissen Maß Teil der kindlichen Entwicklung.

Die Grenze zur Gewalttätigkeit werde überschritten, wenndie Absicht, den anderen zu schädigen, in den Vordergrund tritt.

Die Ursachen von Gewalt unter Kindern und Jugendlichen seien, laut KfV, vor allem auf einen Mangel an sozialer Kompetenz zurückzuführen. Eine konstruktive Form der Problem- und Konfliktbewältigung sei nicht möglich, wenn sie nicht in frühen Lebensjahren zuhause gelernt wurde.

Das ist, wie andere Studien zur Resilienz gezeigt haben, nur für zirka 1/3 der Kinder, die aus gewalttätigen Verhältnissen stammen richtig.

Die anderen 2/3 können sehr wohl auch außerhalb der Familie unter gewissen Bedingungen konstruktive Konfliktlösung lernen. Sie brauchen dazu aber zumindest eine konstant greifbare Bezugsperson (Mutter, Vater, Lehrer,…), die eine Alternative glaubwürdig vorlebt.
Präventionsarbeit sei deshalb schon im Kindergarten notwendig, damit bereits Kleinkinder lernen, Streitereien nicht körperlich auszutragen, sondern gewaltfrei zu lösen. Das ist natürlich eine Ansatzmöglichkeit.

Aus Sicht der Friedens- und Konfliktforschung ist es aber immer noch zu spät, denn der zentrale Flaschenhals in Gesellschaften sind die Eltern oder Obsorgenden mit ihrem Lebensstil (gewalttätig-friedlich) und ihre entsprechende Beziehung zu den Kindern. Gesichert ist heute, dass frühe Traumen die weitreichendsten Folgen für jeden Menschen haben. Wenn Kinder mangels Vorbild etc. im Kindergarten oder in der Schule über die Maßen gewalttätig sind, dann ist natürlich eine frühe Intervention besser als eine späte.

Projekte, die am Kind ansetzen, sind natürlich besser als gar keine und Gewaltprävention ist besser als das übliche Laissez Faire.

Systemische Friedenspädagogik – etwa die Anders Cool Burschentrainings des ZIMD – wäre eine noch bessere Alternative.

Das KfV und der Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) setzen mit einem Pilotprojekt bereits im Kleinkindalter an. In Zusammenarbeit mit dem KfV erstellten Expertinnen der Kindergartenpädagogik ein Programm zur Früherziehung für gewaltfreie Konfliktlösung.

Das Programm wird seit November 2007 in 40 Kindergärten in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland getestet.

Drei- bis Sechsjährige lernen in Übungen
1. die Bedürfnisse anderer wahrzunehmen,
2. Rücksicht zu nehmen,
3. Vertrauen aufzubauen

So sollen spielerisch Kompetenzen wie
1. Selbstsicherheit,
2. positives Sozialverhalten und
3. Empathiefähigkeit
gefördert werden.

Kisser KfV: „Erkenntnisse aus der Entwicklungspsychologie zeigen, dass Gewaltprävention in diesem Alter besonders wirksam und nachhaltig ist. Wenn schon die Kleinsten Konflikte ohne Gewalt lösen können, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auch im Jugend- und Erwachsenenalter nicht zuschlagen, sehr hoch“.

Pädagogen und Eltern oft überfordert

Neuartig an dem Konzept sei, dass an den Ursachen der Aggression angesetzt werde. In die Auseinandersetzung mit Emotionen wie Ängstlichkeit und der Unfähigkeit, sich gewaltfrei auszudrücken, werden neben den Kindern auch die Eltern und Pädagogen einbezogen. Denn eine „KfV-Erhebung unter Kindergartenleitern“ zeigte, dass rund um aggressives Verhalten Unsicherheiten bestehe.

Eltern und Pädagogen seien häufig überfordert. Oft fehle das Wissen, wie mit unbeherrschten Kindern am besten umgegangen werden solle.

Zwei Drittel der befragten Pädagogen wünschen sich
1. Tipps und Anregungen für die Erziehung zur gewaltfreien Konfliktlösung mit den Kindern, aber
2. auch Fortbildungsmaßnahmen für sich selbst.

Das Präventionsprojekt von KfV und FGÖ biete genau das:
In Schulungen werden – laut Presseaussendung – “die Kindergartenpädagogen”
1. über die Entwicklung und Prävention von Gewaltbereitschaft informiert.
2. Gleichzeitig würden auch praxisbezogene Umsetzungsvorschläge für den Berufsalltag angeboten.

Anmerkung: Es ist zu vermuten, dass es sich in 95 Prozent der Fälle um Pädagoginnen handelt.

Die Ignorierung von Geschlecht im Kontext der Konfliktlösung mit friedlichen Mitteln ist symtomatisch und zeigt, dass in diesem Bereich noch viel Aufklärungsarbeit nötig ist.

Auch die Eltern werden einbezogen

Bei mehrmaligen Treffen mit den Kindergartenpädagogen wird:
1. die Bedeutsamkeit gewaltfreier Konfliktlösung in der Erziehung diskutiert
2. und ein gemeinsames Verständnis über den Umgang mit Aggressionen im Kleinkindalter wird erarbeitet.
KfV fordert österreichweiten Einsatz des Programms

Eine erste Evaluation des Projekts zeige:

1. Kindergartenpädagogen fühlen sich durch das Programm im Umgang mit Konflikten gestärkt.
2. Sie treten Konflikten bewusster gegenüber als bisher, und
3. können die Ursachen besser unterscheiden.

Das KfV fordert daher den Einsatz des vom Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) geförderten Projekts in Kindergärten in ganz Österreich, denn
1. derzeit gäbe es keine vergleichbaren Maßnahmen, die Gewaltprävention bereits im Kleinkindalter fördern.
2. Vielmehr werde vor allem bei Jugendlichen angesetzt, aber im Jugendalter seien die Veränderungen nur mit deutlich mehr finanziellen, zeitlichen und personellen Kosten verbunden.

Die Früherziehung zur gewaltfreien Konfliktlösung setzt hingegen bei den drei wichtigen Säulen an: Kinder, Eltern und Pädagogen“, so Kisser.
Nur wenn alle drei Gruppen einbezogen würden, könne
1. Gewaltprävention im Kleinkindalter erfolgreich sein und
2. später im Jugend- und Erwachsenenalter Verletzungen durch Gewalt vorgebeugt werden.

Das Programm wäre sicherlich ein beachtlicher Fortschritt.

Friedenspädagogik für diese Zielgruppen wäre vermutlich hypnosystemisch noch wirksamer. Außerdem ist zu beachten, dass in der Präventionsarbeit der Grundsatz gilt: „Nie zu früh und nie spät.“ Die kosten für einen gestrauchelten jungen Mann der im Kindergarten noch gar nicht in Österreich war belaufen sich aufgrund einer Schätzung von des Cambrigde Kriminologen Prof. Lösel auf rund 1.000.000,– Euro im Laufe seines weiteren Lebens in Österreich. Insbesondere die Kids in urbaneren Räumen wie Wien, Linz, Graz, St. Pölten aber auch Dornbirn mit hohen Anteilen an imigierten Jugendlichen dürfen nicht alle Mittel auf den Kindergarten konzentrieren, sondern müssen der Gewalt das Wasser bis zur Volljährigkeit konzertiert entgegen treten und institutionen für Konfliktbearbeitung bis in die letzten Winkel der Gesellschaft einrichten.

 

Posted in Friedensarbeit, Friedenskultur, Friedenspädagogik, Friedenspsychologie, Gewaltprävention, Österreich, Peacebuilding, Psychologie

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