Olympiade in China – Medien stiften Unfrieden
Wir fordern den Rücktritt der verantwortlichen Redakteure von N24, n-tv, RTL und Bild für die Falschmeldungen im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Tibet und China
Limbourg, seit Feber verantwortlicher N24-Chefredakteur, erklärte vollmundig:
Die Idee des Friedensjournalismus ist weltfremd und nicht erstrebenswert. Man kann auch als Reporter nicht den Hunger der Welt bekämpfen, indem man sich zum Nahrungsjournalisten erklärt.
Gut gebrüllt Löwe – Dennoch: Friedensjournalismus ist das bislang einzige theoretische und praktische Konzept, um das Markt- und Staatsversagen von Medien zu erklären und zu überwinden. Bildblog.de:
So haben unter anderem die deutschen Nachrichtensender N24 und n-tv Bilder von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protestanten in Indien und Nepal als Aufnahmen aus China oder Tibet ausgegeben.
Johann Galtung, Friedensjournalist und Friedensarbeiter
Auf Friedenswegen durch die Welt, 2006, Kapitel Der Dalai Lama S. 217-221:
„Tibet ist natürlich nicht so einfach,
wie es in westlichen Medien dargestellt wird“.
Tibet-Nepal-Schwäche von Medien chronisch
Bildblog.de: „Ausgerechnet die staatlichen Medien Chinas, dessen Regime mit erheblichem Aufwand und großer Härte verhindert, dass sich die Menschen in China und über China frei informieren können, hat den westlichen Medien am Wochenende falsche und irreführende Berichterstattung über die dramatischen Vorgänge in Tibet vorgeworfen. Und das Schlimme ist: Im Kern stimmen die Vorwürfe. So haben unter anderem die deutschen Nachrichtensender N24 und n-tv Bilder von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Protestanten in Indien und Nepal als Aufnahmen aus China oder Tibet ausgegeben. Am Montag räumten RTL und n-tv schließlich ein, Bilder in einen falschen Zusammenhang gestellt zu haben, und bedauerten den Fehler.
Auch Bild.de hatte in der vergangenen Woche kurzerhand Fotos umdeklariert. Die Zeile „Hunderte Tote bei schweren Unruhen in Tibet“ wurde mit dramatischen Aufnahmen illustriert, die nicht in Tibet, sondern in Nepal entstanden sind (siehe Ausriss). Davon, dass Bild.de den Fehler inzwischen ebenfalls eingeräumt oder sich gar dafür entschuldigt hätte, ist aber bislang nichts bekannt.
Vermutlich sollte man darauf auch nicht warten“.
System aktueller großer Politik- und Medienorganisationen
Große Massenmedienproduktionen befinden sich heute in privatem oder öffentlichem Eigentum. Je nach den Personen bzw. Organisationen, die sie kontrollieren, lassen sich laut wikipedia.de fünf Gruppen von Medien unterscheiden.
- Medien im Besitz von Privatfirmen.
In Marktwirtschaften sind heute die meisten Medien im Besitz großer Konzerne. - Medien mit öffentlich-rechtlichem Status
wie die Rundfunkanstalten ORF, ARD und ZDF.In Österreich und Deutschland sind gesellschaftlich relevante Gruppen (Parteien, Religionsgemeinschaften, Arbeitnehmer-, Arbeitgebervertreter u. a.) in den Aufsichtsgremien vertreten. - Staatlich kontrollierte Medien
In vielen Staaten werden Hörfunk und Fernsehen unmittelbar vom Staat kontrolliert (z.B. Kuba). - Medien im Besitz von Kirchen und weltlichen nicht gewinnorientierten, gemeinnützigen Organisationen – z.B. Radio Vatikan oder friedensnews.at
- Medien, die von daran mitarbeitenden Personen kontrolliert werden,
z. B. indymedia / die taz, friedensnews.at oder von der Redaktion wie z. B. jungle world.
Informationen werden durch Anreize in diesen Organisationen systematisch selektiert. Wenn Medien abseits unvermeidlicher Fehler nicht zum allgemeinen Besten wirken, dann gibt es dafür heute zwei Haupterklärungsansätze:
- Marktversagen
- Staatsversagen
- Kombinationen von Staats- und Marktversagen
Marktversagen und Medien
Der Begriff Marktversagen bezeichnet eine Marktsituation, in der es dem Markt nicht gelingt, die Ressourcen effizient oder in der gewünschten Weise zuzuteilen – vgl. wikipedia.
Marktversagen im Neoklassischen Modell resultiert aus vier Quellen
- Asymmetrische Information – Insidergeschäfte, Manager übertölpeln Aufsichtsräte und Aufsichtsbehörden.
- Öffentliche Güter – wie Friedensarbeit oder Sicherheitspolitik, sie sind für alle gut es gibt aber starke Anreize sich den Lasten ihrer Bereitstellung zu entziehen oder sie sogar zu hintertreiben. Beispielsweise WaffenhändlerInnen profitieren zwar von Frieden und Sicherheit finden staatliche Kontrollen schmälern aber ihre Profite. Bestechung bei Rüstungsaufträgen ist heute weltweit üblich.
- Externe Effekte – wie die Besserung des öffentlichen Klimas durch Medienproduktionen werden vom Markt nicht oder nur unzureichend oder gar negativ abgegolten. Friedensjournalismus müßte vor diesem Hintergrund eigenlich subventioniert werden.
4 Marktmacht durch Eigentumskonzentration und Monopole
Die Diskussion um Staatseingriffund um Marktversagen als Kritik an der Marktwirtschaft und die Kritik am Begriff des Marktversagen führten zur Untersuchung von Staatsversagen und Systemversagen.
Markt- und Staatsversagen lassen sich heute leicht illustrieren. Beispiele für vorwiegendes Marktversagen sind
- die ARTE Doku über die österreichische Kronenzeitung;
- der Roman von Heinrich Böll, die verlorene Ehre der Katharina Blum;
- Die Reportagen von Günter Wallfraff oder der Film Bowling for Columbine von Michael Moore.
Da Märkte aber immer in mehr oder weniger kluge staatliche Regeln und Eingriffe eingebettet sind kommt es in der Realität natürlich immer zum Mischeffekten.
Staatsversagen und Medien
Unter Staatsversagen od er auch Politikversagen versteht man heute in den Wirtschaftswissenschaften durch staatliche Eingriffe in den Markt verursachte, sozial unerwünschte bzw. suboptimale Ergebnisse. Diese können sich beispielsweise als mangelhafte Güterallokation, Instabilität oder Ineffizienz in der Produktion oder zunehmender Ungleichheit äußern. Als Teilbereich der Neuen Politischen Ökonomie wird Staatsversagen als Gegenstück zum Marktversagen aufgefasst.
Staatsversagen mündet in den meisten Fällen in Wohlfahrtsfahrtsverlusten, etwa durch:
- Einheitslösungen (Straßen, gesetzliche Regelungen, …): Behandlung der Individuen als hätten sie identische Präferenzen (z.B. Pazifisten und Militaristen). Die entstehenden Wohfahrtsverluste sind umso größer, je differenzierter die Bedürfnisse sind.
- Paketlösungen (Außenpolitik, EU-Deals auf Ratsebene,…): Bürger wählen eine Partei mit einem Gesamtprogramm (Paket:), dem sie nur selten in allen Punkten zustimmen. Beispielsweise wählen PazifistInnen Grüne oder Sozialdemokraten und müssen mit ihrer maximal anti-militaristischen Politik leben, weil das ein geringeres Übel darstellt als rechtsextremer Militarismus.
- Zeitliche Lösungen: Legislaturperioden und nachhaltige Sicherung von Frieden und Umwelt, die oft Aktivitäten erfordern, die erst die Jahrzehnte später positiv wirken. Z.B. Investitionen die Bildung von zugewanderten Eltern und Kindern, Friedenspädagogik, etc.
- Koalitionslösungen: Nach einer Wahl werden Maßnahmen aufgrund von Koalitionsbildungen eventuell anders umgesetzt als vorher von den einzelnen Parteien versprochen (z.B. Ausstieg aus dem Eurofightervertrag).
Staatsversagen findet seinen Ursprung in zwei grundsätzlichen Quellen:
- Konstitutionell festgelegte Regeln des demokratischen Prozesses können ineffiziente Zustände hervorbringen. Der sogenannte EU-Reformvertrag lässt diesbezüglich einiges erwarten. (z.B. Aufrüstungsverpflichtung im Quasi-Verfassungsrang, institutionelle Verankerung einer EU-Rüstungsagentur, unverbindliche Regelungen bezüglich ziviler Konfliktbearbeitung, etc.).
- Formen der Machtausübung in Demokratien:
- Delegation von Aufgaben innerhalb des Staatsapparates.
- a) Prinzipal-Agenten-Problem: Die beauftragten Organe handeln nicht unbedingt im Interesse des Auftraggebers.
- b) Bürokratien: Ziel von Bürokratien ist i.d.R. nicht die Minimierung der Kosten, sondern die Maximierung des zur Verfügung stehenden Budgets. Hierbei überschaubarer vertrauenswürdiger Einheiten zwei Aspekte von besonderer Wichtigkeit – mit den sich beispielsweis Transparency International konstruktiv auseinder setzt:
- Einflussnahme von Interessengruppen auf staatliche Entscheidungsträger.
Das Konzept des Staatsversagens wird oft interpretiert als Antwort auf die Keynesianische Schule der Wirtschaftspolitik, die wirtschaftspolitische Interventionen in Marktwirtschaften befürwortet. Kritiker der Keynesianischen Sichtweise versuchen, analog zum Marktversagen eine Theorie und Empirie aufzubauen. Sie finden zahlreiche Situationen in denen staatliches Handeln systematisch zu Ineffizienz führt – insbesondere bei der Bereitstellung öffentlicher Güter.
Gründe das Versagen staatlicher Eingriffe:
- Methodologischer Individualismus: als eigennutzenmaximierende Individuen seien Politiker in erster Linie machtorientiert, weshalb sie dem Gemeinwohl nur dienten, wenn sie sich daraus einen Vorteil versprächen
- Kurzfristige Perspektive: maßgeblich sei für Politiker in erster Linie die nächste Wahl. Daher würden unpopuläre Entscheidungen verzögert und die lange Sicht bei Entscheidungsfindungen vernachlässigt
- Ausrichtung am eigenen Vorteil macher wirtschaftspolitischer Entscheidungsträger: Fast jeder Politiker ist beeinflussbar durch Interessengruppen wie Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften.
Dieses Verhalten sei für Wähler nur schwer zu kontrollieren.
(Siehe hierzu auch Lobbyismus, Prinzipal-Agent-Theorie, politische Rente (rent seeking)) - Die Komplexität des Marktes führt zu Unsicherheit bei Planung, Ausführung und kurz- und langfristigen Wirkungen wirtschaftspolitischer Maßnahmen (Second-best)
- Diktat der Bürokratie: wenn die Bürokratie sich auf immer neue Handlungsfelder ausdehne und in der Folge keine Kosten-Nutzen-Analyse mehr stattfinde, verhindere sie den effizienten Einsatz der Produktionsfaktoren
Mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in der Informationsgesellschaf, seinen Legitimationsgrundlagen, Aufgaben, Defizite, Entwicklungsoptionen und Alternativen hat sich beispielsweise Florian Saurwein in seiner Diplomarbeit an der Universität Wien im Jahr 2000 auseinander gesetzt.
Konkrete Beispiele für Medienenten öffentlich rechtlicher Medien
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Die Tagesshow oder die Welt in 15 Minuten Von Walter van Rossum
Schlussfolgerungen
Friedensjournalismus hat zwar die Wahrheit nicht gepachtet aber seine Experimente mit der Wahrheit sind seit Mahatma Gandhi und seit Friedensnobelpreisträger Alfred Hermann Fried der einleuchtendste Ansatz für Medienproduktionen zu heiklen Themen.
China sollte die oben zitieten Medien wegen Rufschädigung und Volksverhetzung klagen. Friedensjournalismus befasst sich natürlich mit den Lügen aller Parteien. Die wichtigsten sind aber die Lügen im eigenen Kulturkreis. Wir hoffen dies ist ein kleiner Beitrag zur Entrüstung der Medien der sogenannten freien Welt.
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