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Massenvernichtungsmaschinen und emotionale Panzerung Hiroshima

Erstellt am 06.08.2007 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde 2081 mal gelesen und am 06.08.2010 zuletzt geändert.

Die Welt wird nie wieder so sein, wie sie einmal war.

Holzfäller Tod


Weber: Holzfäller Tod
In nur wenigen Jahren haben wir erlebt, wie ein a-personales Töten den Kampf Mann gegen Mann ersetzt hat, Gas und Maschinengewehre, Flugzeuge und Bomben. Alles, was wir über Krieg glaubten, wurde in Frage gestellt. Und diese Entwicklung ist noch nicht an ihrem Ende angelangt, es werden auch weiterhin unglaubliche Summen ausgegeben – für die Erforschung neuer Methoden Menschen möglichst problemlos zu töten. Drohnen, Mini-Nukes, Raketenschutzschilde, fast möchte man meinen das Krieg für die Nationen noch nie so begehrenswert war wie heute.

Von diesem wahnwitzigen Aufrüstungs-Wettlauf verdrängt liegt aber noch eine tiefe Kerbe, die von den meisten nie richtig wahrgenommen, und in Folge verdrängt wurde.

  • Die Waffen des kalten Krieges sind immer noch zum größten Teil einsatzbereit, in Silos weltweit – in den USA, in Europa, in China, wirklich weltweit?
  • Oder doch nur auf der Nord-Halbkugel? – warten schlanke Phalli darauf zu Himmel steigen zu koennen (eine Tiefenpsychologische Deutung erspare ich mir hier, aber…).
  • Wie emotional gepanzert, wie innen tot muss jemand sein, der diese Projektile losschickt, um damit Millionen Menschen auf einmal zu töten?
  • Ist es die Fortsetzung der inneren Panzerung, die im Kampf Mann gegen Mann Erfolg versprochen hatte?
  • Aber falls es so ist, hat sie dann immer noch Sinn?

Wenn ich bereit bin, mein Gegenüber zu töten, dann habe ich in einem Kampf einen Vorteil. In jedem Selbstverteidigungskurs kann man dergleichen – in abgeschwächter Form – hören: Man muss bereit sein dem Angreifer *weh* zu tun.

  • Doch wenn ich ein Maschinengewehr in der Hand habe, bin ich dann immer noch ein Opfer, das sich wehren muss?
  • Und wenn ich eine atomare Vernichtungsmaschine losschicke?

Im Kampf Mann gegen Mann ist die moralische Beurteilung noch einigermassen leicht, im Kampf Nation gegen Nation wohl eher nicht mehr.

  • Wenn der Tod eines Einzelnen (oder einiger Weniger) die Gesamtsituation verbessert, ist dann nicht eher der Tod dieser Vereinzelten zu befürworten?
  • Wenn also jemand mit einem Maschinengewehr in eine Menge schießt, ist dann nicht der Tod des Maschinengewehr-Schuetzen die bessere Lösung?
Militaerexperten sehen es anders. Sie sehen durch die Brille der Nationalität.

  • Ein „Feind“ der stirbt?
  • Das ist eine gute Sache… ein Landsmann der tausende Feinde töten kann? Fantastisch!
In unverblümter Offenheit wurde diese Denkweise entblößt als die militaerische Führung angab der Einsatz der Atomwaffen in Hiroschima und Nagasaki hätte tausenden Amerikanern das Leben gerettet.
Der Zähler, der im Ausland sterbenden Amerikaner, wird von den Medien immer wieder abgedruckt, doch

  • wieviele „Feinde“ sterben?
  • Wieviele verlieren ihr Leben gegen die militärisch/technische Übermacht?
Diese Aussage ist nicht als Hass auf Amerika zu verstehen, aus gegebenen Anlass wurde nur Amerika als Beispiel genommen, dergleichen läßt sich bei jeder Nation finden.

Nochmals sei hier die Einleitung aufgegriffen: Wir sind gewohnt bei Krieg an einen Kampf „Mensch gegen Mensch“, oder etwas moderner „Nation gegen Nation“ zu denken. Doch die modernen Waffen kennen keine Staatsgrenzen, sie vernichten alles, was sich in ihren Wirkungskreis befindet. Sie unterscheiden nicht zwischen Kämpfer und Nichtkämpfer (nicht dass die Bomben des 2. Weltkrieges das getan hätten, aber damals regte sich deshalb wenigstens noch Unbehagen). Und wo ein Schwert einen gewissen Vorteil im Kampf gibt, ein Maschinengewehr einen noch größeren, da gibt die Atombombe keine Chance zur Abwehr.
Allen Raketenschutzschilden zum Trotz, einzig die vorhandene *Menge* an Atomwaffen reicht aus um die Schutzmassnahmen zu überwinden

(nukleare Gefechtsköpfe:
China ~ 400-600,
Frankreich ~ 348-350,
Großbritannien ~ 185-200,
Russland ~ 8400,
USA ~ 10.240).

Dazu kommen dann noch Techniken wie „MIRV“ (Multiple Independently targetable Re-entry Vehicle), welche die Anzahl der abzufangenden Ziele vervielfachen. Oder Wasserstoffbomben.

Jeder hat die Pilze vor Augen, die Bilder der Vernichtung, die Menschen,

  • verbrannt,
  • verstrahlt,
  • sterbend.
155.000 Menschen starben sofort, weitere
110.000 Menschen starben innerhalb weniger Wochen an den Folgen der radioaktiven Verstrahlung und bis zu
100.000 weitere an Folgeschäden in den Jahren und Jahrzehnten danach.
So grob diese Zahlen auch sind, es macht wenig Sinn darüber zu streiten ob es jetzt 155.000 Menschen oder 155.004 Menschen waren, die sofort starben. Das lenkt nur von der Zahl ab, von der Zahl der Toten.


Wie viele Menschen kennen Sie?

  • 50? 100?
  • Wievielen Menschen begegnen Sie in ihrem Leben?

Mehr als hundert Menschen können wir uns nicht mehr leicht vorstellen, wir beginnen dann „analytisch“ zu denken.

  • Ein Kind in einem Brunnenschacht? Eine Tragoedie!
  • Ein Bus mit Kindern, der verunglückt ist? Eine Katastrophe!
  • Eine Schule, die im Blitz der Explosion verdampft? …

Eine seltsame Leere. Die Zahl ist nicht mehr zu fühlen, sie muss sich bewusst vor Augen geführt werden.

  • Ein Bus? Nehmen wir an: 35 Sitzplaetze. 35 Personen? Das ist möglicherweise ihr gesamter Freundeskreis.
  • Alleine im Blitz der Explosionen starben so viele Personen wie in 4.429 Bussen Platz finden.

Wieder stößt unsere Vorstellungskraft an eine Barriere, das Fühlen wird unmoeglich. Ich fürchte wir müssen uns mit diesem ungenügenden Beispiel begnügen.

Man bitte mir die folgende Ausflucht in Zahlen zu verzeihen, es wurde schon so oft gesagt, doch es scheint noch immer nicht verstanden worden zu sein. So tragisch und schrecklich die verwendeten Atomwaffen in Hiroschima und Nagasaki waren,

  • „Little Boy“, jene Bombe die auf Hiroshima fiel, hatte eine Sprengkraft von 13.000 Tonnen TNT Äquivalent, die auf Nagasaki geworfene
  • „Fat Man“ hatte eine Sprengkraft von 22.000 Tonnen TNT Äquivalent.
  • Die „B83„, eine der vielen Waffen des atomaren Arsenals, kann bis zu 1.200.000 Tonnen TNT Äquivalent an ihr Ziel befördern.

Das ist

eine mehr als 50-fache Sprengkraft als die „Fat Man“.
Die „Trident II SLBM“ (Submarine-launched ballistic missile) kann bis zu 8 „W88“ Sprengkoepfe zu je 475.000 Tonnen TNT Äquivalent befördern, das sind insgesamt 3.800.000 Tonnen TNT Äuivalent (~ 170 „Fat Man“).

Die stärkste reguläre Waffe ist die sowjetische „SS-18 Satan ICBM“ mit 25.000.000 Tonnen TNT Äquivalent (ich verzichte hier und im Folgenden auf die Umrechnung), die bisher vernichtendste Waffe wurde 1961 auf der Insel Nowaja Semlja von der Sowjetunion erprobt, sie hatte die unvorstellbare
Stärke von 57.000.000 Tonnen TNT Äquivalent.

Insel im Eis, Teil 1

Russischer Militärposten auf der Kolgujew-Insel in der Barentssee
© PHOENIX/ZDF/Frank Vieltorf

Die Bilder vor Augen, das Leiden nach dem Abwurf von Hiroshima und Nagasaki, die ungeheuerliche Anzahl der im Moment verfügbaren Atomwaffen vor Augen, und nicht zuletzt deren so viel stärkere „Vernichtungskraft
… wohin sind wir gegangen?

Aber Kinder muss man noch vor sich schützen, Erwachsene haben Verantwortung für sich und ihre Umwelt zu übernehmen. Wir haben nicht den Luxus uns abzuwenden und uns zu sagen „das geht mich nichts an“.

  • Frieden ist kein Zustand sondern ein Prozess.
  • Frieden ist nicht selbstverstaendlich.

Christian Apl, Humanistische Plattform und Chefredakteur von Friedensnews.at

 

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