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Friedenspolitische Analyse zur deutschen Ratspräsidentschaft

Erstellt am 20.11.2006 von Andreas Hermann Landl
Dieser Artikel wurde mal gelesen und am 17.06.2008 zuletzt geändert.

Quelle: Analyse zur deutschen Ratspräsidentschaft


IMI-Analyse 2006/026 – gekürzt in: Telepolis 7.11.2006

Militarisierung der EU

Das Programm zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik der im Januar 2007 beginnenden deutschen Ratspräsidentschaft

http://www.imi-online.de/2006.php3?id=1444
http://www.imi-online.de/download/IMI-Analyse-2006_026.pdf

7.11.2006, Tobias Pflüger / Martin Hantke

Nach der finnischen Ratspräsidentschaft (1) wird Deutschland (2) am 1.
Januar 2007 für ein halbes Jahr den Ratsvorsitz übernehmen. Danach
folgen bis Dezember 2008 weiter im halbjährlichen Turnus Portugal,
Slowenien und Frankreich. Für die Funktionsweise der Europäischen
Union ist die Ratspräsidentschaft von nicht zu unterschätzender
Bedeutung. Der Vorsitz des Rates spielt eine wesentliche Rolle bei der
Organisation der Arbeiten der Institution des Rates (3), insbesondere
als Impulsgeber im legislativen und politischen Entscheidungsprozess.
Ihm obliegt die Einberufung, Vorbereitung und Leitung aller Sitzungen;
er führt auch den Vorsitz in den zahlreichen Arbeitsgruppen und
arbeitet Kompromisse aus. Das heißt: Ab Januar 2007 wird die
Bundesregierung wesentlich über die Agenda der Europäischen Union
bestimmen. Das ist auch für die Außen- und Militärpolitik mit
entscheidend, denn der Rat legt die Grundsätze (4) der Gemeinsamen
Außen- und Sicherheitspolitik (5) (GASP) fest und setzt diese um. Der
Rat selbst besteht neben dem Ratssekretariat aus den Ministern der
Mitgliedstaaten, die im Rahmen des Rates der Europäischen Union tagen.
Je nach den Themenbereichen, die auf der Tagesordnung stehen, ist
jedes Land mit seinen zuständigen Fachministern vertreten (Auswärtige
Angelegenheiten, Justiz und Inneres, Finanzen, Soziales, Verkehr,
Landwirtschaft usw.)

Rückblick auf die deutsche Ratspräsidentschaft 1999: Schwerpunkt Militarisierung

Mit Fug und Recht kann man die letzte deutsche Ratspräsidentschaft 1999
als Militarisierungspräsidentschaft bezeichnen, als da von der
rot-grünen Bundesregierung die wesentlichen Projekte der
EU-Militarisierung, wie die Aufstellung von EU-Interventionstruppen
aufs Gleis gesetzt wurden. Mit der „Erklärung des Europäischen Rats zur
Stärkung der GASP“ von Köln im Juni 1999 (6) wurde der Aufbau einer
operativen und eigenständigen Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (7) (ESVP) als integraler Bestandteil der GASP
eingeleitet. Ziel war es, der EU in Bezug auf internationale
Konfliktverhütung und Krisenbewältigung Handlungsfähigkeit zu
verleihen. Vor allem sollte ein autonomes militärisches Eingreifen bei
internationalen Krisen ermöglicht werden, allerdings eingeschränkt nur
„in den Fällen, in denen die NATO als Ganzes nicht beteiligt ist“, um
eine Konkurrenzsituation zu vermeiden. Also nur wo die NATO auf ihr
Erstzugriffsrecht verzichtet, kann die EU selbstständig militärisch
intervenieren. Alles weist darauf hin, dass die deutsche
Ratspräsidentschaft 2007 die Militarisierung der EU nun ebenso
vorantreiben wird.

Fortführung von Militarisierungsprojekten

Zum einen ist zu erwarten, dass die Bundesregierung
Militarisierungsprojekte der finnischen Ratspräsidentschaft, wie die
bestehenden ESVP-Militäroperationen (8), fortsetzt. Auch steht zu
erwarten, dass die Arbeit am Ausbau der militärischen Mittel und
Fähigkeiten während der deutschen Präsidentschaft fortgesetzt wird.

Die Grundlage für die Arbeit an der Entwicklung der militärischen
Fähigkeiten wird durch das Planziel 2010 (Headline Goal 2010 (9)), das
am 17. Juni 2004 vom Rat verabschiedet wurde, vorgegeben. Im ersten
Halbjahr 2007 sollen insbesondere die Luftlandekapazitäten
vervollständigt und Landekapazitäten aufgebaut werden, um den
EU-Battle-Groups, von denen nach Auskunft des finnischen Ratsvorsitzes
im Unterausschuss Sicherheit und Verteidigung des Europäischen
Parlaments bis 2010 insgesamt 19 mit nahezu 40.000 Soldaten in Dienst
gestellt werden sollen, bessere globale
Militärinterventionsfähigkeiten zu ermöglichen. Dies erfolgt
zusätzlich zu der im Jahr 2000 auf freiwilliger Basis erfolgten
Verpflichtung der Mitgliedstaaten zu einzelstaatlichen Beiträgen. Auf
der Helsinki-Beitragskonferenz wurde die erforderliche Anzahl von
Truppen von den Mitgliedstaaten zugesagt (100.000 Soldaten, 400
Luftfahrzeuge, 100 Schiffe) und im so genannten
Helsinki-Streitkräfte-Katalog (Helsinki Force Catalogue) aufgelistet.
Zusätzlich zu den rein militärischen Kapazitätsaufbauzielen
formulierte der Europäische Rat bereits im Dezember 2004 als neues
zivil-militärisches Planziel das ‚ Civilian Headline Goal 2008 (10).
Damit soll das rein militärische Aufgabenspektrum durch ein
zivil-militärisches der ESVP ergänzt werden. Hierzu sollen die
Fähigkeit zum Monitoring von Krisen und die fachliche Unterstützung
der Sonderbeauftragten der EU gehören. Dazu kommen die Bereiche wie
die so genannte Reform des Sicherheitssektors, hinter der sich oft die
Restrukturierung verbündeter Armeen verbirgt. Im Kern geht es aber um
eine Verbesserung der Fähigkeiten, erfolgreiche Besatzungsregimes zu
etablieren.

Als Lehre aus den Fehlern der „zu“ militärischen Irak- und
Afghanistan-Besatzung, sollen zivil-militärischer Kapazitäten
aufgebaut und eingesetzt werden. Dazu wurden Anforderungen an Personal
und Ausrüstung der Mitgliedstaaten formuliert, um eine zukünftig
engere Zusammenarbeit und Abstimmung mit dem militärischen Bereich
sowie die Beschleunigung der Reaktionszeiten zu gewährleisten. So
wurde bereits 2005, um die Entsendegeschwindigkeit zu erhöhen,
beschlossen, so genannte Civilian Response Teams aufzustellen. Sie
sollen ähnlich kurzfristig wie die schnell verlegbaren Polizeigruppen
(Rapid Deployable Police Elements) zum Einsatz kommen.

Außerhalb des Rahmens der Europäischen Sicherheit- und
Verteidigungspolitik kann die EU zudem auf die paramilitärische
European Gendarmerie Force, gebildet von Italien, Frankreich, Spanien,
Portugal und Griechenland, zurückgreifen, um eine mögliche
EU-Besatzungspolitik nicht nur zivil-militärisch zu begleiten, sondern
um auch Kapazitäten zur Niederschlagung möglicher Widerstände
bereitzustellen. Auch hier steht zu erwarten, das diese Art der
heimlichen Aufrüstung für die deutsche Ratspräsidentschaft hohe
Priorität genießen wird, um das Projekt 2008 zum Abschluss bringen zu
können.

Arbeitspapier zur Militarisierung

In einem Arbeitspapier vom 18. Oktober 2006 für ein „18-monatiges
Programm der deutschen, portugiesischen und slowenischen
Ratspräsidentschaft“, das von der deutschen Bundesregierung
mitverfasst wurde, wird der Ratifizierung des EU-Verfassungsvertrages,
wie auch der Fortentwicklung der Europäischen Militärpolitik hohe
Priorität eingeräumt. Noch während der deutschen Ratspräsidentschaft
soll dem europäischen Rat ein Bericht vorgelegt werden, um die weitere
Entwicklung auszuloten. Auf dieser Basis soll dann der
EU-Verfassungsvertrag weiter befördert werden, um spätestens im
zweiten Halbjahr 2008 zu konkreten Ergebnissen zu gelangen.

Um das außenpolitische Gewicht der EU zu erhöhen soll im Rahmen der
Entwicklung der Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik am
Aufbau der „militärischen und zivilen Kapazitäten und einer effektiven
zivil-militärischen Koordinierung“ weitergearbeitet werden. In der
Folge wird aufgelistet, was alles konkret geplant ist. Die Grundlage
dabei soll die Europäische Sicherheitsstrategie bilden. Besondere
Betonung findet im Arbeitspapier die „Entwicklung einer strategischen
Partnerschaft zwischen EU und NATO“ und die “ Stärkung der Kooperation
mit Schlüsselpartnern“. Hier wird insbesondere auf die USA verwiesen.

Insbesondere das Battle-Group-Konzept sollen die drei
Ratspräsidentschaften umsetzen, im Hinblick auf die weitere gemeinsame
Entwicklung der „Rapid Response Capabilities“ und einer Neugewichtung
des „EU Military Rapid Response Concepts“ (EU MRRC). Besondere
Erwähnung in diesem Zusammenhang finden erneut die angestrebte
Umsetzung des „Headline Goals 2010“ und des „Civilian Headline Goals
2008“.

Zusätzlich soll eine „effektive Koordinierung der militärischen und
zivilen Planungen und Kommandostrukturen“ gewährleistet werden,
insbesondere auf einen „verbesserten Gebrauch der Civ-Mil Cell“, des
Nukleus eines EU-Generalstabs für Militärinterventionen. Um deren
Arbeit zu optimieren sollen gemeinsame Manöver mit der NATO
durchgeführt werden (CME-CMX). Dabei sollen auch zivile Planer für
Missionen innerhalb der Europäischen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik geschult werden.

Die Counter-Terrorismus-Strategie soll zu einem hervorgehobenen Teil
der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU werden, dabei
soll insbesondere auf die „Kooperation mit der UN und der NATO“ Wert
gelegt werden.

Zusammenfassend sticht auch die quantitative Gewichtung
unterschiedlicher Politiken in diesem Arbeitspapier ins Auge. Während
der EU-Menschrechtspolitik gerade einmal zwei Sätze gewidmet sind,
wird der Ausbau der ESVP auf drei Seiten des Papiers ausführlich
dargelegt. Das Ziel eines militärisch global agierenden Akteurs EU
soll für die drei Ratspräsidentschaften oberste Priorität haben.
EU-Militärpolitik soll von den Zielen bis zur institutionellen
Umsetzung eng mit NATO-Sicherheitskonzepten und US-Außenpolitik
verbunden werden.

Absoluten Vorrang für die deutsche Bundesregierung genießt die
Durchsetzung des EU-Verfassungsvertrags auch in punkto Außen- und
Sicherheitspolitik. Außenminister Walter Steinmeier lässt sich dazu in
der Bild-Zeitung mit den Worten zitieren:

„Wir sind überzeugt: Die Verfassung macht Europa transparenter,
greifbarer und auch schlagkräftiger.“ Deshalb soll die deutsche
Ratspräsidentschaft einen Fahrplan erarbeiten, wie sich der
EU-Verfassungsvertrag dann am geschicktesten in den einzelnen
Mitgliedstaaten ratifizieren lassen wird. Bundeskanzlerin Angela
Merkel betont, dass es der Bundesregierung darum gehe, dies noch „vor
der nächsten Europawahl“ 2009 über die Bühne zu bringen. Dazu ist auch
geplant, sich mit den beiden folgenden Präsidentschaften eng abzustimmen.

Was den Inhalt des Vertrages angeht, gibt es bei der Bundesregierung
keine Einsicht geschweige denn Umkehr. Weder der anhaltend hohe
Prozentsatz der eigenen Bevölkerung, der den neuen EU-Vertrag ablehnt,
noch die Mehrheiten in Frankreich und den Niederlanden gegen den
EU-Verfassungsvertrag bei den Referenden im Frühjahr 2005 haben etwas
an dieser Einstellung geändert. Die Devise heißt einfach „Weiter So“.
Im Grunde soll so lange abgestimmt werden, bis das Ergebnis stimmt.
Daneben wird eine Strategie verfolgt, die die Bestimmungen des
EU-Verfassungsvertrags als Blaupause für die forcierte Militarisierung
der EU nimmt.

Beispiel 1: Europäische Rüstungsagentur (11). Sie arbeitet schon seit
2004 und soll laut EU-Verfassungsvertrag, darauf achten, dass die
Mitgliedstaaten ihre militärischen Fähigkeiten ständig verbessern.

Beispiel 2: EU-Battle-Groups. Sie sollen am 1.1.2007 in Dienst
gestellt werden. Ihre Aufstellung war bereits im Protokoll
„strukturierte Zusammenarbeit“ des EU-Verfassungsvertrags fixiert worden.

Beispiel 3: Militarisierte Weltraumforschung und die Rüstungs- und
Sicherheitsforschung. Sie wird in der Geschichte der EU zum ersten Mal
im EU-Verfassungsvertrag benannt. Bereits jetzt wird sie aber schon im
7. Rahmenforschungsprogramm mit 1,6 Milliarden Euro bedacht.

Der Beitrag des Europäischen Parlaments zur Spezifizierung der
Militäragenda

Einen originären Beitrag zur Agenda der Deutschen Ratspräsidentschaft
leistet die erdrückende Mehrheit des Unterausschusses Sicherheit und
Verteidigung (12) des Europäischen Parlaments. Sein Vorsitzender, der
CDU-Abgeordnete Karl von Wogau, erklärte die militärische Sicherung
des Energiezugangs zum Kernbereich der Gemeinsamen Europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Ihre Aufgabe bestünde in der
Sicherung des „freien Flusses von Zuliefergütern für die Industrie und
für individuelle Konsumenten und von Brennstoffen im Besonderen, dies
betreffe besonders die Sicherheit von Schiffen, Flügen und Pipelines“.

Im bisherigen Arbeitsprogramm der Ratspräsidentschaft ist schon jetzt
vorgesehen, Energiesicherheit und Energieaußenpolitik zu ihrer
Durchsetzung als weitere Priorität zu etablieren. Offensichtlich wird
hierbei auch über eine militärische Komponente zur Sicherung von
Energierohstoffen nachgedacht. Dazu kommen weitere Vorstöße, einen gut
funktionierenden EU-Rüstungsmarkt zu schaffen. Auch hier sieht die
Bundesregierung industriepolitischen Handlungsbedarf und wird sich aus
den Vorarbeiten des Europäischen Parlaments bedienen können. Dienlich
dabei dürfte sein, dass der heutige Staatssekretär im
Wirtschaftsministerium, der für EU-Politik zuständig ist, Joachim
Würmeling, zu seiner Zeit als Europaabgeordneter Berichterstatter für
die Schaffung eines EU-Rüstungsmarkts war.

Deutsch-Französische Militäragenda

Auf dem Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat (13),
der am 12. Oktober in Paris stattfand, wurden in der Erklärung von
Paris (14) die wesentlichen Eckpunkte der Militäragenda für die
deutsche Ratspräsidentschaft gemeinsam mit Frankreich abgestimmt.
Bekannt gegeben wurde, dass Deutschland und Frankreich sich über
zentrale Themen der europäischen Militärpolitik und der NATO
verständigt hätten. Zentraler Punkt des Treffens war, die
EU-Militarisierung voranzutreiben. So heißt es in der Erklärung:

„Im Hinblick auf die deutsche Präsidentschaft der Europäischen Union
im ersten Halbjahr 2007 bekräftigen Deutschland und Frankreich ihre
Entschlossenheit, die Europäische Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (ESVP) weiterzuentwickeln. Die Lösung der
Statusfrage vorausgesetzt, wird der erfolgreiche Aufbau der
ESVP-Rechtsstaatsmission im Kosovo die zentrale Aufgabe der deutschen
Präsidentschaft sein. Unsere beiden Länder werden sich bei der
praktischen Umsetzung der neuen zivilen und militärischen Instrumente
der Union zur Krisenbewältigung eng abstimmen. Besonderes Augenmerk
wird auf das Erreichen der vollen Einsatzbereitschaft des
Operationszentrums der Europäischen Union Anfang 2007 liegen. Mit
diesem Zentrum wird es möglich sein, vom nächsten Jahr an Operationen
bis vom Umfang der Operation ‚Artemis‘ zu planen und zu führen.
Darüber hinaus werden 2007 die Gefechtsverbände zur schnellen
Krisenreaktion der Europäischen Union (Battle Groups) in vollem Umfang
einsatzfähig sein. Deutschland und Frankreich werden den Kern von zwei
der vier 2007 in Bereitschaft stehenden Gefechtsverbände stellen.“

Neben Lob für die „erfolgreichen“ militärischen Engagements im
Libanon, Kongo und in Afghanistan, bekräftigt die Erklärung den
unbedingten Willen im Sudan militärisch intervenieren:

„Unsere beiden Länder ersuchen die sudanesische Regierung, ihr
Einverständnis zur Implementierung der Mission der Vereinten Nationen
im Sudan (UNMIS) in der Region Darfur zu geben, um gemäß der
Resolution 1706 des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen die
Umsetzung des Darfur-Friedensvertrags zu unterstützen.“

Dort sollen Presseberichten zufolge auch die ersten EU-Battle-Groups
in enger Kooperation mit der NATO eingesetzt werden.

Zudem wird erneut betont, dass die Schaffung eines Europäischen
Lufttransportkommandos oberste Priorität hat. „Die Ausbildung des
Personals und das Training der Besatzungen sollen im Verbund
stattfinden. Synergien bei der technisch-logistischen Unterstützung
lassen Ersparnisse von beträchtlichem Umfang erwarten“, heißt es in
der Erklärung. Darüber hinaus setzt man darauf, dass „die operative
Zusammenarbeit im Europäischen Lufttransportkommando eine optimale
Nutzung der nationalen Kapazitäten ermöglichen“ wird.

Bereits im April 2006 wurde eine Absichtserklärung zur Schaffung
dieses Lufttransportkommandos unterzeichnet. Die ersten Kapazitäten
sollen ab 2009 zur Verfügung stehen. Während der deutschen
Ratspräsidentschaft steht zu erwarten, dass für diese Initiative, der
sich Belgien bereits angeschlossen hat und die anderen europäischen
Staaten offen steht, intensiv geworben werden wird. Die Aufgabe soll
anschließend bis Dezember von der französischen Ratspräsidentschaft
weiterbetrieben werden. Das Ziel ist klar: EU-Interventionstruppen
sollen autonom weltweit eingesetzt werden können, wobei die enge
Verzahnung mit der NATO Teil dieses Programms ist. So sitzen über die
NATO-Abteilung bei der so genannten „Civ-Mil Cell“, die nichts anderes
als einen Nukleus eines EU-Generalstabs darstellt, die USA immer mit
am Tisch.

Fazit: Für die deutsche Ratspräsidentschaft hat die globale
Kriegsführungsfähigkeit der EU große Priorität. Die Annahme und
Ratifizierung der EU-Verfassung soll dies vertraglich absichern und
befördern helfen. Denn gerade das Problem der immensen Kosten des
EU-Militarisierungsprogramms ist auf Grundlage des
EU-Verfassungsvertrags, der einen eigenständigen EU-Militärhaushalt
ermöglichen würde, wesentlich leichter zu schultern. Zu Erinnerung:
Der geltende EU-Vertrag von Nizza verbietet einen eigenständigen
EU-Militärhaushalt. Die bisherige Praxis der Umwidmung ziviler
Haushaltstitel in militärische birgt zu viele politische Risken.

Was könnte getan werden?

Zu diesem Kurs in Richtung künftiger Militäreinsätze und Kriege der
Deutschen Ratspräsidentschaft gibt es eine Gegenagenda. Angefangen von
der Durchsetzung des Leitbilds „Zivile Europäische Union“, nicht zu
verwechseln mit dem Neusprech und der Rede von der Friedensmacht oder
der Zivilmacht Europa, in die alle möglichen
Militärinterventionskonzepte eingesenkt werden, bis hin zu konkreten
Abrüstungsprojekten. Eine echte Abrüstungsinitiative, der sich die
Bundesregierung annehmen könnte, wäre eine Initiative für ein
atomwaffenfreies Europa.

Die Atommächte der Europäischen Union, Frankreich und Großbritannien
modernisieren zur Zeit ihre Atomwaffenarsenale, statt die
Verpflichtung des Atomwaffensperrvertrags zur atomaren Abrüstung zu
erfüllen. Deutschland hält, wie andere EU-Staaten auch, an der
nuklearen Teilhabe fest und ebenso hält es weiterhin Kapazitäten zur
industriellen Anreicherung waffenfähigen Urans vor (Garching, Gronau).
Zusätzlich haben die USA etwa 480 Atomwaffen in der EU stationiert. In
Strategiepapieren der Europäischen Union, wie dem „European Defence
Paper“, finden sich Überlegungen Atomwaffen im Rahmen der ESVP
einzusetzen. Um diesem Szenario zu begegnen, sollte die
Bundesregierung die Initiative für ein atomwaffenfreies Europa
ergreifen. Alle Strategieplanungen zum Einsatz von Atomwaffen im
Rahmen der ESVP müssten dann eingestellt werden. Einseitige atomare
Abrüstungsinitiativen von EU-Mitgliedstaaten als vertrauensbildende
Maßnahmen müssten dann befördert werden. Deutschland müsste auf die
nukleare Teilhabe und die Vorhaltung von Kapazitäten zur Anreicherung
waffenfähigen Urans verzichten. Die Regierung der Vereinigten Staaten
müsste aufgefordert werden, einen klaren und konkreten Zeitplan für
den Abzug der US-amerikanischen Atomwaffen aus Europa bis Ende 2006
vorzulegen.

Notwendig wäre auch die Absage an alle Pläne für den Aufbau einer
europäischen Armee, was offensichtlich eine zentrale Zukunftsidee der
deutschen Ratspräsidentschaft sein soll, wie Rainer Arnold,
„verteidigungspolitischer“ Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, in
einem Interview in der Berliner Zeitung bestätigt: „Die Frage ist, ob
wir nicht ständige Verbände in Einsatzbereitschaft brauchen, deren
Zusammensetzung gleich bleibt. Das könnte ein Thema sein für die
deutsche EU-Ratspräsidentschaft.“ Inzwischen äußerten sich auch Angela
Merkel und Kurt Beck in diese Richtung. Wohlgemerkt: Es geht um
zusätzliche Kapazitäten zu den schon jetzt geplanten und ab 1.1.2007
teilweise verfügbaren Battle-Groups und den einzelstaatlichen
Militärstrukturen der EU-Mitgliedsstaaten.

Es ist wenig wahrscheinlich, dass sich derartige Abrüstungsinitiativen
auf der Agenda der Bundesregierung wiederfinden werden. Wir schlagen
deshalb vor zwei zentrale Kampagnen zur Militäragenda der Deutschen
Ratspräsidentschaft zu führen. Zum einen eine Kampagne gegen die
EU-Battle-Groups und ihre deutsche Kommandostruktur in Potsdam und Ulm
sowie zum anderen eine Kampagne zum Rückzug der Bundeswehr- und
EU-Truppen, angefangen mit dem Rückzug der Bundeswehr-Truppen aus
Afghanistan.

LINKS

(1) http://www.eu2006.fi/en_GB/
(2) http://www.eu-praesidentschaft.de/
(3)
http://www.consilium.europa.eu/cms3_fo/showPage.asp?id=1&;mode=g〈=en
(4)
http://www.bundestag.de/bic/analysen/2006/GASP_ESVP_und_ihre_Instrumente-Ein_Ueberblick_.pdf

(5) http://ec.europa.eu/comm/external_relations/cfsp/intro/index.htm
(6) http://europa.eu.int/council/off/conclu/june99/annexe_de.htm
(7) http://www.consilium.europa.eu/showPage.asp?id=261&;lang=de&mode=g/
(8) http://www.consilium.europa.eu/showPage.asp?id=268&;lang=de
(9) http://ue.eu.int/uedocs/cmsUpload/2010%20Headline%20Goal.pdf
(10)
http://www.intermin.fi/intermin/hankkeet/skh/home.nsf/files/Civilian%20Headline%20Goal%202008/$file/Civilian%20Headline%20Goal%202008.pdf

(11) http://www.eda.eu.int/
(12) http://www.europarl.europa.eu/committees/sede_home_en.htm
(13)
http://www.deutschland-und-frankreich.de/public/index.php?sess_id=SB2tcDK569iVNO4sd8jdxE0M7Oz3uG&;id_article=706

(14)
http://www.deutschland-und-frankreich.de/public/index.php?sess_id=SB2tcDK569iVNO4sd8jdxE0M7Oz3uG&;id_article=719

(15) http://www.guengl.org/showPage.jsp

Telepolis Artikel-URL: http://www.telepolis.de/r4/artikel/23/23915/1.html

2) Alle „Studien zur Militarisierung EUropas“ im Überblick

Zahlreiche vertiefende Informationen zum Thema EU-Militarisierung
finden sich auf der IMI-Seite http://www.imi-online.de/eu-projekt/,
auf der inzwischen 18 Studien erschienen sind:

GRUNDLAGEN UND STRUKTUREN DER EUROPÄISCHEN UNION

— Studien zur Militarisierung EUropas 1/2006
Martin Hantke: Institutionalisierte Machtentfaltung: Zur Struktur und
Funktionsweise der EU-Außenpolitik
http://www.imi-online.de/eu-projekt/handke_1_2006.pdf

— Studien zur Militarisierung EUropas 9/2006
Stephan Heidbrink: Geschichtlicher Abriss der europäischen Integration
http://www.imi-online.de/eu-projekt/heidbrink_9_2006.pdf

— Studien zur Militarisierung EUropas 15/2006
Andreas Wehr: Wer regiert in Europa? Die neue Hegemonialordnung des
Europäischen Verfassungsvertrages
http://www.imi-online.de/download/wehr_15_06.pdf

EUROPAIDEOLOGIEN

— Studien zur Militarisierung EUropas 2/2006
Tobias Pflüger: Die Ideologie: Europa
http://www.imi-online.de/eu-projekt/pflueger_2_2006.pdf

KERNELEMENTE DER MILITÄRMACHT EUROPA

— Studien zur Militarisierung EUropas 3/2006
Arno Neuber: The making of: Militärmacht EUropa
http://www.imi-online.de/eu-projekt/neuber_3_2006.pdf

— Studien zur Militarisierung EUropas 10/2006
Claudia Haydt/Tobias Pflüger/Jürgen Wagner: EUropas verfasste
Militarisierung: Verfassung

 

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